Die Tochter der Konkubine
gefällt, bezahlen sie viel, damit sie nur für sie da ist.« Sie gab Siu-Sing einen Schmetterlingskuss auf die Nasenspitze. »Ich muss jetzt tanzen.« Rubin, die einen glitzernden roten Edelstein im Bauchnabel stecken und sich eine Schnur mit Silberglöckchen um die Taille gebunden hatte, trug einen exotischen Tanz vor, der jeden in seinen Bann schlug, als sie zur fiebrigen Musik des Basars und dem rhythmischen Klatschen der Schwestern Hüften und Bauch kreisen ließ.
Als Siu-Sing auf die Bühne gerufen wurde, spielte sie auf der er-hu
die Lieder der Nachtigall. Als die Musik der Berge den glitzernden Saal erfüllte, herrschte Stille: In diesem Augenblick war es Siu-Sing, als säße sie allein am Jadetisch am Ort des klaren Wassers.
Auf dem Privatbalkon, der für einen Taipan von großer Macht und von großem Vermögen reserviert war, setzte sich der einzige Zuschauer dort zurück und drehte träge den Stil seines Brandyschwenkers in seiner Hand herum. Verzaubert von den reinen Noten der unbekannten Musik, die nur für ihn geschrieben worden zu sein schien, hielt er die Augen geschlossen. Sie wurde von einem Mädchen gespielt, das noch ein Kind war, mit Haaren so dicht und glänzend wie die Mähne eines Vollblutpferdes aus seinen Ställen, und das sich mit Anmut und verborgener Kraft bewegte. Durch kleine Perlmutt-Operngläser hatte er sie eine Stunde lang gemustert, die wilde Schönheit ihres Gesichtes gesehen, die Kupfertöne in ihrem Haar und die seltene Färbung ihrer großen Augen.
Das Unterhaltungsprogramm im Lichterpalast wurde bis zum Morgengrauen fortgesetzt, und der Tag darauf diente der Ruhe. Rubin ergriff Siu-Sings Hand und hielt sie sich einen Augenblick lang an die Wange. »Jetzt gehörst du hierher, und ihr. Sie hält dich für ihren Besitz. Wenn es ihr gefällt, wirst du an den großen Taipan verkauft, an J. T. Ching, aber das dauert noch. Wir haben Zeit, um zu planen, aber du musst ihre Warnung ernst nehmen … ihre Bestrafung währt ewig.«
Die Pfeifenmacherin fuhr mit den Fingerspitzen die schwache weiße Linie über ihre Wange nach. »Wenn du ihr wegläufst, wird sie dich finden. Und dann nimmt sie dir für immer dein Glück, so einfach, so endgültig, wie sie mir meines genommen hat … mit dem Schnipsen eines Fächers.«
Rubin wickelte sich aus dem Seidensari. Dann trat sie ins Kerzenlicht und stand zum ersten Mal nackt vor Siu-Sing. Ihre Glieder waren mit denselben Falten werfenden Linien verunstaltet, die sich auch über ihre Wangen zogen … so dünn und vorsätzlich, als wären sie mit der Spitze eines Rapiers gezogen.
Rubin hob die Arme über den Kopf und drehte sich langsam. Die weißen Narben waren überall - auf ihrem Rücken, ihren Gesäßbacken, ihren Beinen, markierten jeden Körperteil.
»Mein Vater war ein vermögender parsischer Kaufmann in Bombay, meine Mutter eine französische Privatlehrerin, die seine jüngeren Kinder unterrichtete. Er schwängerte sie, und seine Memsahib ließ sie auspeitschen und jagte sie dann aus dem Haus. Ich wurde in der Gosse Bombays geboren. Du siehst, ich bin auch gemischten Blutes. In Indien bin ich eine Chi-Chi, ein Halbblut, eine Unberührbare.
Einst liebte ich einen jungen Mann«, flüsterte Rubin. »Er arbeitete hier im Garten. Zunächst liebten wir uns aus der Ferne, mehr mit Blicken und Gedanken als mit Worten. Nachts kam er an mein Fenster. Zum ersten Mal lag jemandem an mir, bedingungslos, und ich lernte das Glück kennen. Wir flohen durch das Gärtnertor und nahmen die Fähre nach Hongkong. Ich arbeitete in einer Bar und verkaufte nicht weit davon entfernt Zeitungen. Wir fanden einen Mietschlafplatz und teilten ihn uns. Ich wurde schwanger, und die Bar wollte mich nicht mehr. Wir hatten oft Hunger. Ich brachte unseren Sohn in unserem Bett zur Welt. Er war ein lieber Junge, aber als er weinte, wurde uns gesagt, wir müssten gehen. Ich wurde gefasst und wieder zur Goldenen zurückgebracht. Sie brandmarkte mich, damit mich keiner mehr begehrte, um sicherzugehen, dass ich nicht wieder fortlief, und wenn doch, dass man mich leichter fand. Sie nahmen mir den jungen Mann und mein Baby weg, und ich habe sie nie wieder gesehen oder etwas von ihnen gehört. Viele Male habe ich daran gedacht, meinem Leben ein Ende zu setzen, aber sie hatte Verwendung für mich, und ich bin geblieben.«
Mit tiefem Mitleid betrachtete Siu-Sing die kleine Pfeifenmacherin, die so bereitwillig ihre Freundin geworden war. Behutsam zog sie die zarte Seide fort und
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