Die Tochter der Konkubine
unabhängig voneinander bewegen ließen.
»Nun winkle seinen Ellbogen an und hebe seinen Arm.« Die Goldene trat hinzu, um es ihr zu zeigen, hob erst ein Bein, dann das andere und ließ sie schließlich wieder in eine natürliche Position zurückfallen. »Öffne seine Augen, damit er seine neue Herrin sehen kann.« Behutsam legte Siu-Sing die Finger auf die Augenlider des Herzogs. Bei der leichtesten Berührung rollten sie hoch und zeigten Augen, die so echt wirkten, dass sie zurückwich.
Die Goldene lachte laut auf. »Er kann dich nicht sehen. Seine Augen bestehen aus feinstem Onyx, das in Elfenbein eingepasst ist. Aber sieh mal genauer hin. Er spricht mit uns.« Sie deutete auf sein fein gemeißeltes Ohr. Als Sing sich näher hinbeugte, entdeckte sie winzige chinesische Schriftzeichen, die über jede Falte und Biegung des Ohres peinlich genau eingraviert waren.
»Und hier und hier und hier«, sagte Tamiko-san. Sing ging auf, dass jeder Zentimeter des Modells mit kleinen Nadelstichen bedeckt war, die mit derart fein gezeichneten Inschriften versehen waren, dass sie kaum wahrnehmbar waren. »Sie erzählen uns ihre intimsten Geheimnisse.« Mit vor Konzentration gerunzelter Stirn versuchte Sing sie zu entziffern.
»Sie wurden in einer längst toten Sprache geschrieben«, erklärte die Goldene. »Ich werde sie dir zur rechten Zeit beibringen.«
Sie öffnete eine niedrige Schublade unterhalb der liegenden Figur und holte einen langen, flachen Kasten heraus, dessen Deckel mit eingelegten Schriftzeichen und Symbolen in derselben altertümlichen Schrift versehen war. »Nun vervollständigen wir ihn.« In dem Kasten befanden sich, aus demselben Holz geschnitzt, zwei Reihen naturgetreuer Phalli verschiedener Größe und Form. »Fangen wir bescheiden an.« Tamiko-san besah sich die Auswahl so kritisch wie ein Duellant die Auswahl an Waffen. »Aber nicht zu bescheiden«, entschied sie, suchte einen mittelgroßen aus und steckte ihn in die Fassung. »Sieh her. Er bewegt sich auch.« Der Penis, dessen wie eine Pflaume geformter Kopf glänzte, bewegte sich zwischen Tamiko-sans Fingern glatt vor und zurück.
»Das«, sagte Tamiko-san mit gespielter Ehfurcht, »ist der erigierte Penis … der Jadestiel … die Elfenbeinstange … die Goldrute. Nenn’s, wie du willst. Für müde Ehefrauen und Mütter ist es nichts weiter als ein lächerliches Anhängsel, mit dem man viel Ärger und wenig Freude hat. Aus diesem Grund kommen ihre Ehemänner zu uns.«
Einen Abend in der Woche gesellte die Goldene sich in dem glitzernden Pavillon, den sie den Lichterpalast nannten, zu ihnen. Hier wurden die Gäste des Hauses unterhalten und von den Silberschwestern bedient. Sein gewölbtes Dach war mit Tausenden kleinen Konvexspiegel bestückt. Ein Kronleuchter mit fünfhundert Kerzen erfüllte den Raum mit Kaskaden schimmernden Lichts. Darunter speiste ein zentral gelegener Springbrunnen ein Becken
aus grünem Marmor. Die Silberschwestern schwammen nackt darin herum, spielten wie Kinder in seinem smaragdgrünen Wasser. Um seinen Rand standen mit verführerischen Speisen und Fläschchen mit goldenem Nektar gedeckte Tische. Dahinter standen Diwane, überaus bequeme und prachtvolle Diwane, auf denen die prachtvollen schlafenden Drachen ruhen und eine Pfeife rauchen konnten.
Die in die scharlachroten Gewänder einer Geisha mit einem Gürtel aus Gold gekleidete Goldene pflegte auf dem am kunstvollsten gearbeiteten Diwan zu liegen und rauchte eine Pfeife mit einem goldenen Kopf, der wie eine Pfingstrose geformt war. Ihr Gesicht war kreideweiß, ihre honigfarbenen Augen dick mit Kajal umrandet, der Mund so rot wie Blut auf jungfräulichem Schnee. Sie lud jede der Schwestern ein, auf die Bühne zu treten und sie zu unterhalten. Manche sangen, tanzten oder spielten Musik. Andere erzählten Geschichten oder trugen Gedichte vor. Manche führten - entweder allein oder mit einem erwählten Partner - sinnliche Geheimnisse vor, die nur von ihrem Volk praktiziert wurden. Im Verlaufe des Abends, während sich die Fläschchen leerten, gerieten die meisten Schwestern in einen Zustand der Hemmungslosigkeit.
Von beschatteten Balkonen aus, die um die kreisförmigen Wände verliefen, konnten die reichsten und bedeutendsten Gäste Tamiko-sans in Muße und aller Privatheit das Treiben beobachten.
»Zuschauen können sie«, erklärte Rubin, als Siu-Sing sie fragte, »aber nicht berühren. Von dort aus können sie sich eine Pfeifenmacherin aussuchen. Wenn sie ihnen
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