Die Tochter der Konkubine
Boden zunächst in östlicher, dann in westlicher, nördlicher und südlicher Richtung. Zur Verstärkung des Zaubers füllte er seinen Mund mit dem Zauberwasser und sprühte es über Li-Xias reglosen Körper. Nachdem er
alle böswilligen Geister ordnungsgemäß und ein für alle Mal in die Palastkeller des himmlischen Meisters in dem weit entfernten Ki-anghsi verbannt hatte, war die Austreibung offiziell und erfolgreich abgeschlossen.
Daraufhin richtete das Göttliche Wesen seine Aufmerksamkeit auf das Begräbnis der großen Goo-Mah und begleitete den verwüsteten Sarg zum Begräbnisort der Familie unter der großen Tanne. Dort hob die Gruppe professioneller Trauergäste zu einem Wehklagen an, das noch eine Meile jenseits der Felder gehört werden konnte und die Hunde zu wecken vermochte, die mit ihrem Heulen in die Klagekakophonie einstimmten. Das Ganze wurde untermalt von Gongs und Feuerwerkskörpern, Trommeln und Trompeten, bis das Göttliche Wesen von einem tränenvollen Yik-Munn sein rotes Päckchen entgegennahm. Zum Abschluss versprühte er Zauberwasser in die Richtung von Goo-Mahs Grab und steckte dann sein dämonenverscheuchendes Schwert in die Scheide. Li-Xia wurde vom Altar gehoben, vom Hühnerblut und der Asche gesäubert und wieder ins Reislager gebracht, wo sie in den allertiefsten Schlaf fiel.
Nachdem er entsprechend Yik-Munns Spende an den Tempel seine Pflicht erfüllt hatte, führte der Exorzist die lärmende Prozession ins Dorf zurück. Dass er aus Gründen der Vernunft den Tempel dazu überredet hatte, beide Rituale zum Preis von einem durchzuführen, behielt Yik-Munn für sich.
Eine Woche darauf verschwand die Fuchsfee zwei Tage lang und wurde noch weiter vom Haus entfernt wieder eingefangen. Sie hatte den See aus Silberhirse und das Senffeld überquert, war über den Bewässerungsgraben gesprungen und dem Fluss gefolgt, bis ihre Füße wund und blutig waren, doch sie fühlte keinen Schmerz und wäre noch tausend Meilen weitermarschiert, hätte man sie nicht zu fassen bekommen. Diesmal schlugen ihre Brüder sie nicht, und ihre Verfluchungen fielen mild aus. Auch wenn sie es nicht sagten, nahmen sie sich vor Mächten in Acht, die scheinbar nicht einmal
der Exorzist zu beruhigen vermochte, und waren unwillkürlich beeindruckt von dem Mut und der Entschlossenheit von jemand so Jungem. Sie durfte ohne Fesseln zurücklaufen und wurde bei ihrer Rückkehr mit Umsicht behandelt.
Yik-Munn war über das Scheitern der kostspieligen Zeremonie und die fortgesetzte Aufsässigkeit des Kindes derart beunruhigt, dass er zu dem Schluss kam, ihr Widerstand müsse von den himmlischen Mächten gutgeheißen und von daher respektiert statt bestraft werden.
Erst als die Versuche, ihr die Füße zu binden, völlig eingestellt wurden, da es scheinbar das Einzige war, was man tun konnte, hörte sie mit ihrem Geheul auf und beruhigte sich. Es war eine Niederlage, aber immerhin herrschte danach auf dem Gewürzgut Große Tanne eine Art Frieden und Ruhe.
Die ärgerliche Nachricht, dass die Schöne aus dem Hause Munn keine Lotusfüße bekäme, wurde Ah-Jeh, der Leiterin des Seidengutes Zehn Weiden, überbracht, die sie an Ming-Chou weitergab. Doch der große Mann zeigte sich entgegenkommend. Er würde das Kind dennoch bei sich aufnehmen, auch wenn es nun nie mehr eine seiner Konkubinen oder die seiner Söhne oder Enkelsöhne werden würde. An ihrem achten Geburtstag würde er sie für ein Drittel des vereinbarten Preises kaufen.
Yik-Munn nahm das Angebot des Händlers umstandslos an. Kein Jahr mehr, und er war Li-Xia los und sein Leben wäre wieder intakt. Er ließ sie im Lagerhaus arbeiten und wies die Arbeiter dort an, sie im Auge zu behalten. Der lange Kaischuppen mit dem niedrigen Dach lag zum Fluss hin, seine großen Türen standen weit offen, um frische Luft hereinzulassen, doch die vermischten Gerüche von Pfefferkorn, Muskatnuss, Schwarzer Bohne und trocknendem Knoblauch waren überwältigend. Hier wurden die geernteten und gereinigten Gewürze sortiert, gewogen und versandfertig verpackt.
Li-Xia hatte die Aufgabe, mit einem Lumpen vor Mund und Nase Säcke, Behälter, Schachteln, Steintöpfe und Tontöpfe zu füllen - drei Schippen Gewürz auf eine Schippe Kehricht vom Boden.
Yik-Munn hatte darauf bestanden, dass sie stets Handschuhe trug. Wenn sie schon nicht mit Lotusfüßen geschmückt werden konnte, mussten ihre Hände die einer Weberin sein, mit flinken Fingern, die weich und gelenkig genug waren, um eines
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