Die Tochter der Konkubine
ausländischen Autos fährt nur Ah-Geet.« Die Stimme war die Ah-Geets, des Fahrers, dessen unverschämter Gebrauch des Namens ›Di-Fo-Lo‹ ihn sofort identifizierte. Li wirbelte herum und entdeckte den Chauffeur so dicht bei sich, dass er sie hätte berühren können. Angesichts des Schreckens, den er ausgelöst hatte, grinste er. Seine Daumen hatte er in den Hosenträgern eingehakt, die sich über seine dünnen Schultern spannten, sein weißes Hemd stand sorglos offen und enthüllte haarlose, bleiche Haut und kleine, braune Brustwarzen.
Ohne ihre Antwort abzuwarten, öffnete er die Beifahrertür. Er klopfte auf den Sitz, streichelte das ausgepolsterte Leder wie den Rücken einer Katze. »Sehr weich. Sehr glatt.« Sein Tonfall wurde schmeichelnd. »Komm, setz dich. Niemand wird davon erfahren …«
Als sie sich umdrehte und auf die Tore zuging, erhob der Fahrer seine Stimme. »He, Flussmädchen. Du hast etwas vergessen.« Sie wandte sich um und sah, dass seine Hose offen um seine dürren Knie hing und er seinen wütenden roten Schaft umklammerte. Sein unangenehmes Gelächter sagte ihr, dass er betrunken war. Er ließ laut die Hupe ertönen. »Deshalb bist du gekommen, um Ah-Geet zu sehen. Ich gebe dir einen Silberdollar wie Di-Fo-Lo …«
Den Rest seines Gebrülls bekam sie nicht mehr mit, als sie durch das Tor hinaus zum Haus zurückeilte.
Unter Fischs Aufsicht waren für Li ein paar neue Kleidungsstücke angefertigt worden. Ihrer Stellung als persönliche Bedienstete des Taipans entsprechend trug sie nun aus gemusterter Seide gefertigte Cheongsams in gedämpften Grau - und Brauntönen, die sie an Nachmittagen und Abenden tragen sollte, wenn sie saubermachte oder im Garten arbeitete. Dazu wurden passende Schuhe mit leicht
erhöhten Absätzen erstanden, die weich und leicht waren. Ihre Haare waren ordentlich gewachsen, so dass sie ihr jetzt weich auf die Schultern fielen. Allabendlich wand sie sie geflochten auf ihren Kopf, gehalten von Jadenadeln, die Fisch ihr geliehen hatte, und suchte sich eine frische Gardenienblüte, die sie sich hinters Ohr steckte und deren Duft allmählich zu einem Teil von ihr wurde.
Mit dem Kleidungswechsel änderte sich auch ihre Haltung: Sie war sich ihrer Stellung in Sky House nicht länger unsicher und zweifelte auch nicht mehr an ihren Fähigkeiten. Die Arbeit ging ihr leicht von der Hand, und wenn sie fertig war, wusch sie sich und zog sich um, nahm Bücher herunter und vertiefte sich in sie, wobei Stunden wie Augenblicke vergingen. Wenige nur waren auf Chinesisch geschrieben, und die Seiten mit ordentlich eng aneinandergereihtem Englisch schwammen bedeutungslos vor ihren Augen. Doch in vielen davon fanden sich Bilder, sowohl gezeichnet als auch gemalt, oder wunderschön präsentierte Fotografien.
Sie hatte eines entdeckt, das prächtig in Leder gebunden war und kunstvolle Blattgoldprägungen aufwies. Selbst die Seiten hatten jede eine Goldkante, so dass das Buch in geschlossenem Zustand wie der Schoß eines Tempelbuddhas glänzte. Seine schweren, herrlich illustrierten Seiten zeigten schöne Frauen, die ihre nackten Körper stolz mit unbekleideten Männern verflochten. Hypnotisiert blätterte sie weiter, musterte mit wachsender Neugierde jede Einzelheit der Umarmungen genau.
In der Privatheit ihres Zimmers zog Li sich aus und musterte sich im Spiegel, dachte über die eigene Anziehungskraft im Vergleich mit den großartig gemalten Bildern nach. Sie hatte sich so an den Spiegel gewöhnt, dass es ihr leicht fiel, die richtigen Posen einzunehmen und rasch ein Urteil zu fällen. Wie sehr hatte sie sich doch in der kurzen Zeit verändert, wie gut alles verheilt war. Keine Narbe war zurückgeblieben, die ihre perfekte Haut verschandelt hätte. Sie bewegte ihre Schultern, gestattete dem Lampenlicht, auf deren schwach gebräunten Schimmer zu fallen. Sie hob das Kinn und drehte den Kopf, senkte den Blick. Die von Kiesel einst bewunderten
Wimpern waren tatsächlich länger und gebogener als alle, die sie je gesehen hatte. Sie wurde kühner. Eingedenk bestimmter Posen aus dem Buch verglich sie sich damit, bog ihren Rücken, um ihre Wohlgeformtheit ins rechte Licht zu rücken, wagte es, sich einen Partner vorzustellen, gewiss, dass sie, wenn es so weit war, gefallen würde und man auch ihr gefiele.
Ein leises Geräusch, so schwach, dass sie den Atem anhielt, ließ sie aufhorchen. Sofort schnellte ihr Blick zur verriegelten Tür. Sie wartete, hörte nichts als die weit entfernte
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