Die Tochter der Konkubine
fleischliche Genüsse anging, so wurde in Macao alles geboten, vom diskret Akzeptierbaren bis zum äußerst Verdorbenen. Unter dem portugiesischen niederen Adel, dessen Frauen zu sehr damit beschäftigt waren, den gesellschaftlichen Anforderungen nachzukommen, um sich für die Kavaliersdelikte ihrer Männer zu interessieren oder sich darüber Gedanken zu machen, war es gang
und gäbe, sich ein oder zwei Mätressen zu halten. Selbst regelmäßiger Besuch der verrufenen Bordelle der Stadt wurde - diskretes Vorgehen vorausgesetzt - geduldet. Doch nichts entschuldigte einen Mann, der sich unter seinem eigenen Dach von einer Bediensteten verführen ließ. Bei einem solch schwerwiegenden Fehltritt ging man automatisch davon aus, dass die Chinesin als raffinierte Verführerin die treibende Kraft gewesen war. Insofern musste man sie schlagen und aus dem Haus jagen, ohne einen Pfennig in der Tasche, in den Kreisen der Ausländer gebrandmarkt als eine, die man nicht beschäftigen durfte, und von den eigenen Leuten als niedrigste aller Huren, dafür, dass sie mit einem haarigen Barbaren geschlafen hatte.
Ben hatte sich nie um die Ansichten anderer geschert, doch als er sich für seinen ersten Abend als Mitglied des Macao Yacht Club zurechtmachte, kam ihm Indie da Silvas Rat in den Sinn.
»Denk dran, Ben, du bist drauf und dran, einer unter vielen Heuchlern zu werden, die dir, wenn sie könnten, die Kehle aufschlitzen würden. Da europäisches Blut in dir fließt, müssen sie dir Einlass gewähren, widerstrebend, das sei dir versichert. Da ich Macanese bin, der Bastard eines portugiesischen Vaters und einer chinesischen Mutter, verdiene ich es nicht, solchen Staat zu tragen oder die Messinggriffe ihres illustren Eingangs zu beschmutzen, obgleich ich ihnen allesamt davonsegeln könnte.«
Er hatte ohne Bedauern gegrinst. »Ich würde eher die Gesellschaft einer gutherzigen Hure in einem lecken Sampan suchen als die habichtgleichen Drachen und doppelzüngigen Narren, die sich Damen und Herren der Gesellschaft Macaos nennen. Diese so genannten Gentlemen hätten keinerlei Hemmungen, dabei zuzusehen, wie jemandem die Kehle aufgeschlitzt wird, sie betrügen beim Kartenspiel, bestehlen ihre Freunde, gehen mit deiner Frau und Tochter ins Bett, wenn sie können, und zeigen, wenn sie erwischt werden, wenig Reue.« Vor Abscheu hatte Indie ein finsteres Gesicht gemacht. »Sie kaufen sich eine zwölfjährige mooi-jai für den Preis einer billigen Flasche Wein, gehen mal eben mit ihr ins Bett und
lassen sie dann auspeitschen und auf die Straße setzen, derweil sie es sich bei einem Essen gutgehen lassen.«
Indie hatte gewartet, bis seine Worte Wirkung zeigten, ehe er zum Kernsatz ausholte. »Aber ein Engländer wohnt nie seiner Amah bei, egal, wie alt sie ist und unter welchen Umständen es dazu kam. Das verstößt gegen alle Regeln! Das Establishment wird einen Bogen um dich machen, und die Chinesen werden dich dafür leiden lassen. Was das Mädchen angeht, so kann sie ihrem Leben genauso gut ein Ende setzen, bevor die anderen das erledigen. Das hier ist nicht das eduardische England, und es handelt sich auch nicht um die oberen Zehntausend Lissabons - es ist China, und die ausländischen Clubs sind Bastionen der Frömmigkeit unter den Heiden.« Indie hatte sich einen weiteren seiner grünen Stumpen angezündet. »Mit anderen Worten, Benjamin, mein Freund, lass dich nicht erwischen und gib es nie, niemals zu, denn beide Seiten werden dich ausstoßen.«
Weihnachten war in Macao eine triste Angelegenheit, wenn sich die im Exil lebenden europäischen Familien hinter geschlossenen Fensterläden mit Lametta und bunten Lichterketten, Bonbons und Zuckermäusen tapfer durch die Festlichkeiten schlugen. Devereaux graute immer davor. Genauso erging es ihm mit den endlosen Festtagen, die den chinesischen Kalender füllten, wo fremde Teufel wussten, dass sie nicht dazugehörten, und sich in die Bibliothek verzogen, das Billardzimmer oder die Bar, bis es auf den Straßen wieder sicher war.
In seinem eigenen Leben hatte Ben keinen Platz für Aberglauben, tolerierte ihn aber bei anderen, so lange es sich nicht zu stark auf ihn oder sein Geschäft auswirkte. Er unterstützte Ahnenverehrung in der Ungestörtheit der Personalunterkünfte und das Vorhandensein von Schreinen für die anerkannten Götter. Er hatte entdeckt, dass sowohl Taoismus als auch Buddhismus interessant und freundlich waren, und hatte in den konfuzianischen Lehren viele
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