Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
weil ihr einfach die Kraft dazu fehlte.
»Ich will jetzt mein Geld!«, meldete sich Vera wieder zu Wort. »Ihr habt es versprochen! Wir hatten einen Handel, und ich habe meinen Teil eingehalten!«
Sie war wieder aufgestanden, und auch das Äffchen saß wieder auf ihrer Schulter und überschüttete Wulfgar mit einem Schwall schnatternder Beschimpfungen. Der Wikinger-Fürst wandte sich kopfschüttelnd zu ihr um, betrachtete erst das keifende Äffchen nachdenklich, dann sie – und Veras Augen weiteten sich ungläubig, als er ihr ohne Vorwarnung einen Dolch in den Leib stieß.
Einen endlosen Atemzug lang stand sie einfach wie erstarrt da und sah Wulfgar aus weit aufgerissenen Augen an, dann brach sie lautlos und wie vom Blitz getroffen zusammen. Das Äffchen kreischte so laut und spitz, als wäre es selbst von dem Dolch getroffen wurden, und versuchte sich auf den Mörder seiner Herrin zu stürzen. Wulfgar schleuderte es mit einem Fußtritt davon und beugte sich ächzend vor, um die Messerklinge an Veras Kleid abzuwischen.
»Ich habe dir doch gesagt, dass du bekommst, was dir zusteht, Weib«, sagte er.
Die Bewegung, mit der er sich aufrichtete, kam Katharina sehr mühsam vor, als bereite sie ihm Schmerzen, die er sich nicht anmerken lassen wollte.
Aber sie war nicht ganz sicher. Gleich würde sie das Bewusstsein verlieren, das spürte sie, und danach würde sie hier drinnen elend und bei lebendigem Leibe verbrennen. Vielleicht war das die gerechte Strafe, die Gott für sie bereithielt, nach allem, was sie bisher angerichtet hatte.
Vielleicht verlor sie tatsächlich für einige Augenblicke das Bewußtsein, denn als sie wieder halbwegs klar sehen konnte, hatte sich Erik wieder in eine kniende Haltung hochgestemmt.Das Schwert drückte noch immer gegen die Seite seines Halses, aber das schien er gar nicht zu spüren.
»Damit kommst du nicht durch, Wulfgar«, sagte er. »Jedermann in Santen weiß, dass diese Leute hier unsere Freunde sind.«
Es war Pardeville, der antwortete, nicht Wulfgar. »Ja, und die Hälfte der Stadt verachtet sie dafür, Heide. Und jetzt wird man ihre Leichen finden, und dazu zwei deiner toten Krieger … und den bedauernswerten Vater Cedric, den ihr aus dem Stift entführt und feige zu Tode gefoltert habt, nicht zu vergessen.« Er lachte böse. »Ich bedauere es aufrichtig, dass sie nicht auch deine Leiche hier finden werden.«
Er wandte sich mit einem fast bittenden Blick an Wulfgar, doch dieser schüttelte nur den Kopf. »Niemand rührt ihn an«, sagte er. »Er ist trotz allem mein Bruder, und ich vergieße nicht das Blut meiner Familie, wenn es nicht unbedingt sein muss.«
Einer seiner Krieger kam aus dem oberen Stockwerk zurück. Er hatte das Schwert gezogen, und auf der armlangen Klinge glänzte frisches Blut. Er sagte etwas in seiner Muttersprache, und Wulfgar schürzte mit einem angedeuteten Heben der Schulten die Lippen, so als wäre er zwar enttäuscht, hätte aber nichts anderes erwartet. Er wandte sich an Erik, besann sich dann aber anders und bedeutete dem Mann, der Ansgar festhielt, die Hand von seinem Mund zu nehmen.
»Wo ist deine Schwester, mein Junge?«, fragte er.
Ansgar musste erst ein paarmal japsend nach Luft schnappen, ehe er überhaupt antworten konnte. »Ich weiß nicht, wovon du … sprichst«, stieß er mühsam hervor. »Ich habe keine … Schwester.«
Wulfgar hob die Hand, wie um ihn zu schlagen, und Erik sagte rasch: »Lass ihn, der Junge weiß nichts.«
»Und du wirst es mir nicht sagen, vermute ich«, sagte Wulfgar nachdenklich. »Und warum solltest du auch? Ich an deinerStelle täte es auch nicht … aber ich weiß, was ich an deiner Stelle täte.«
Er machte eine knappe Handbewegung, und der Krieger hielt Ansgar nicht nur wieder den Mund zu, sondern hob ihn hoch und trug den heftig strampelnden Jungen aus dem Raum.
»Mach dir keine Sorgen, Bruder«, sagte Wulfgar, an Erik gewandt. »Bring mir meine Enkeltochter, und du bekommst deinen Enkelsohn zurück. Ich gebe dir Zeit bis zum nächsten Vollmond. Wenn du sie bis dahin nicht zu mir gebracht hast, siehst du deinen Enkel nie wieder.«
*
Weder erinnerte sie sich, wie sie aus dem Ofen herausgekommen, noch was anschließend geschehen war. Jemand hatte sie hochgehoben und getragen, und danach waren nur noch verschwommene und sinnlose Bilder gewesen, die Erinnerung an Schmerzen und Fieber und sehr viel Zeit, die vergangen war. Vielleicht waren sie geritten, vielleicht mit einem Schiff gefahren,
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