Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
überrascht. Anscheinend war sie selbst tatsächlich die Einzige gewesen, die keine Ahnung gehabt hatte.
Dwegr sprang mit einem Satz von Veras Schulter, entdeckte die Kater am anderen Ende des Bootes und begann aufgeregt schnatternd Jagd auf sie zu machen.
»Anscheinend hat Gott am Ende doch ein Einsehen mit uns gehabt«, begann Vera, nachdem sie wohl begriffen hatte, dass keiner von ihnen etwas sagen würde. »Oder Thor oder Wotan oder an wen auch immer ihr glaubt.«
»Gott«, hörte sich Katharina antworten, zu ihrer eigenen Überraschung, und sehr heftig. »Wir sind Christen. Wir glauben an denselben Gott wie ihr.«
Vera blinzelte, vielleicht mehr von der Heftigkeit ihres Ausbruchs überrascht als von ihren Worten, aber nach einem Moment fuhr sie mit einem Achselzucken fort: »Wie auch immer. Aber du musst jetzt keine Angst mehr haben.«
»Weil jetzt alles gut wird?«, fragte Katharina spöttisch.
»Wenigstens wird es nicht noch schlimmer«, gab Vera zurück.
»Arden und ich gehen gleich und holen die anderen. Das hier scheint mir ein guter Platz, um abzuwarten, bis Pardeville und seine Söldner verschwunden sind. Während sie gegen deinen Großvater ziehen, können wir in Ruhe verschwinden.«
Wieder schien sie auf eine bestimmte Reaktion Katharinas oder Ediths zu warten. Als sie nicht kam, legte sie den Kopf auf die Seite und wirkte mit einem Male ein bisschen misstrauisch. »Damit hast du doch kein Problem, oder? Ich meine: Du hast nicht etwa plötzlich deinen Familiensinn für Wulfgar entdeckt?«
Das war so absurd, dass Katharina am liebsten laut aufgelacht hätte. Aber sie tat es nicht, sondern sah Vera nur weiter und mit wachsender Verwirrung an. Tatsächlich hatten die Worte der Gauklerin etwas in ihr ausgelöst, das sie … verstörte.
»Oder?«, fragte Vera noch einmal. Jetzt klang sie eindeutig beunruhigt.
»Krieg ist niemals gut«, antwortete Edith an ihrer Stelle. »Viele unschuldige Menschen werden sterben.«
»Ein unschuldiger Guy de Pardeville, meinst du?«, schnaubte Vera. »Oder seine gekauften Mörder? Oder Wulfgars unschuldige Räuberbande?«
»Sie hat Recht«, sagte Katharina. »Baron zu Guthenfels war gut zu uns. Er hat uns gerettet – auch dich. Und er hätte fast mit dem Leben dafür bezahlt.«
»Unschuldige Menschen bezahlen immer und überall mit dem Leben für die Fehler der Mächtigen«, antwortete Vera abfällig. »Lass dich von Guthenfels’ scheinbarer Freundlichkeit nicht täuschen, Kleines. Er ist ein Adliger, und die sind alle gleich.«
»So wie ich?«, fragte Katharina. Vera blinzelte, und Katharina fuhr fort: »Wenn man es genau nimmt, bin ich auch so etwas wie eine Königstochter.«
Vera zog es vor, diesen Einwurf zu ignorieren. »Was glaubst du, woher sie ihre Macht und ihren Reichtum haben? All ihre Ländereien und ihr Gold wurden mit dem Schweiß und dem Blut einfacher Leute bezahlt! Wie oft bist du frierend und mit knurrendem Magen eingeschlafen, Kindchen? Wie viele deiner Freunde sind verhungert, während es sich die hohen Herren in ihren behaglich geheizten Burgen gutgehen ließen?«
»Das war Graf Ellsbusch!«, begehrte Katharina auf. Das war –«
»– etwas anderes?«, fiel ihr Vera ins Wort. Sie lachte. »Kaum. Sie sind alle gleich, glaub mir! Vielleicht ist Guthenfels nicht ganz so schlecht wie die anderen, aber das macht ihn noch lange nicht zu einem guten Menschen!« Sie schüttelte noch einmal heftig den Kopf. »Ich weiß, wovon ich rede, mein Kind. Ich bin weiß Gott weit genug in der Welt herumgekommen, um sie alle zu kennen, und glaub mir, sie sind überall gleich! Sollen sie sich doch gegenseitig umbringen. Ein paar weniger, vor denen wir Angst haben müssen!«
Jetzt war es Katharina, die die Heftigkeit dieses Ausbruchs überraschte. Sie setzte zu einer Antwort an, doch Edith legte ihr rasch die Hand auf den Unterarm und schüttelte den Kopf.
»Niemand verlangt, dass ihr euch einmischt, Vera«, sagte sie. »Du und deine Sippe habt genug unter etwas gelitten, an dem ihr weiß Gott keine Schuld tragt. Aber Kara hat Recht, weißt du? Wir müssen dem Baron eine Warnung zukommen lassen, nicht nur um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Würde dir nicht gefallen, Guy de Pardeville endlich das Handwerk zu legen?«
Wenn sie gehofft hatte, Vera damit zu überzeugen, so irrte sie sich. Die Gauklerin schüttelte nur noch heftiger den Kopf, und in ihren Augen blitzte es wütend auf.
»Sollen sie sich doch gegenseitig umbringen«, zischte sie.
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