Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
alter Verbündeter von Wulfgar war«, antwortete Edith. »Das wussten wir von Karas Vater. Deswegen wollten wir dort erst einmal Unterschlupf suchen.«
Vera seufzte. Es klang ein bisschen resigniert. »Und da habt ihr geglaubt, er würde euch helfen, zu Ellsbusch zu gelangen, um zu versuchen, sein Herz zu erweichen und an seine Freundschaft zu Wulfgar zu appellieren?« Sie lachte böse. »Nimm es mir nicht übel, aber das war naiv. Ihr hattet wenig Erfahrung mit den hiesigen Adligen, wie?«
»Er hat uns betrogen«, sagte Edith bitter. »Doch als uns klar wurde, dass er seine eigenen Pläne verfolgt, war es zu spät.« Ihre Augen schimmerten feucht, als sie sich wieder direkt an Katharina wandte, und ihre Stimme klang angestrengt. »Deine Mutter starb noch in derselben Nacht, mein Kind. Ich glaube, an gebrochenem Herzen, als sie begriff, was sie getan hatte. Ich konnte mit Mühe und Not entkommen, doch auch ich war verletzt und krank. Deshalb habe ich auch nicht mitbekommen, was mit dir geschehen ist. Glaub mir, ich hätte mein Leben geopfert, um dich zu retten, aber es ging nicht.«
Ihre Stimme versagte endgültig. Sie gewann den Kampf gegen die Tränen, hatte aber nicht mehr die Kraft, weiterzusprechen, und Katharina griff nach ihrer Hand, um sie zu halten und ihr so den einzigen Trost zu spenden, zu dem sie imstande war. Dabei sollte es doch eigentlich genau andersherum sein.
»Und Guy de Pardeville hat zehn Jahre gewartet, um Kapital daraus zu schlagen?«, wunderte sich Vera.
»Er wusste von nichts«, antwortete Edith. »Gute Menschen haben mich gesund gepflegt, und ich habe eine Anstellung auf Schloss Pardeville gefunden. Er wusste nicht, wer ich war, und da ich eure Sprache gut kannte, hat er in all der Zeit niemals Verdacht geschöpft. Ich dachte, ich könnte ein wenig auf dichachten, wenn du älter wirst … aber ich habe alles nur noch schlimmer gemacht. Wäre ich doch in jener Nacht gestorben, anstelle deiner Mutter!«
»Das ist doch Unsinn!«, antwortete Katharina heftig; beinahe empört. »Was hast du denn Schlimmes getan?«
»Es ist meine Schuld, dass Pardeville alles erfahren hat«, sagte Edith traurig. »Ich dummes altes Weib habe alles ausgeplaudert, in einem Moment der Schwäche. Ich wollte es nicht, aber Worte sind so schnell gesprochen und so unmöglich wieder zurückzunehmen.«
»Du hast es Pardeville erzählt?«, ächzte Vera.
»Nein«, antwortete Edith, leise und ohne aufzublicken. »Aber jemandem, von dem ich dachte, ich könnte ihm vertrauen. Meiner einzigen und besten Freundin.«
»Man kann niemandem vertrauen!«, schnaubte Vera. »Und denen, von denen man es glaubt, am allerwenigsten.«
*
Die Nacht schien kein Ende zu nehmen. Die Stunden schleppten sich dahin, ohne dass sich Mond und Sterne am Himmel sichtbar zu bewegen schienen, und die Stille schien mit jedem Moment intensiver und drückender zu werden, wie ein unsichtbarer Nebel, der sich über die Welt gelegt hatte und nicht nur alle Geräusche fraß, sondern auch das Atmen schwer machte.
Katharinas Hoffnung, von der alten Dienerin mehr über ihre Mutter und deren Schicksal zu erfahren, hatte sich nicht erfüllt. Edith war bald in dumpfes Brüten verfallen, offenbar überwältigt von ihren Erinnerungen und dem Schmerz, den sie mit sich gebracht hatten, und auch Vera war immer schweigsamer geworden und hatte sich schließlich an der Reling zusammengerollt, um vorgeblich zu schlafen, sodass Katharina endlose Stunden allein mit ihrem Kummer und der Stille verbrachte. Erst, alssich das erste Grau der Dämmerung mit dem gleichfarbigen Nebel mischte, der wie ein Wald aus dürren Hexenfingern vom Fluss aufstieg, wachte Vera wieder aus ihrem (vermutlich gespielten) Schlaf auf, sagte aber immer noch kein Wort, sondern schlurfte zum hinteren Teil der Heimdall , um sich zum Wasser hinabzubeugen und sich zu erfrischen.
Katharina überlegte ganz kurz, dasselbe zu tun, dachte dann daran, wie kalt das Wasser sein musste und entschied sich dagegen.
Stattdessen stand sie auf, beschränkte ihre Morgentoilette darauf, ausgiebig zu gähnen und sich noch ausgiebiger zu recken, spielte eine kleine Weile mit den Katzen und nutzte dann das heller werdende Licht, um sich das Schiff zum ersten Mal genauer anzusehen.
Allzu viel gab es gar nicht zu entdecken. Die Heimdall war ein typisches Drachenboot, ähnlich Eriks Schiffen, oder auch der Fenrir , nur dass sie deutlich kleiner war, und ein gutes Stück schlanker. Katharina verstand rein gar nichts
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