Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
und verschwand raschelnd im Unterholz.
Katharina blieb etliche Minuten lang reglos sitzen und lauschte. Wie schon in der Nacht war der Wald nicht still. Überall raschelte und knisterte und gluckerte es, und für eine Weile konnte sie auch noch die Geräusche hören, die Edith verursachte, bis sie schließlich leiser wurden und dann gar nicht mehr zu identifizieren waren. Schließlich stand sie auf, trat an die niedrige Bordwand auf der anderen Seite und kämpfte ihreninstinktiven Widerwillen vor dem Wasser nieder, um den Fluss genauer in Augenschein zu nehmen.
Er war nicht annähernd so breit, wie es während der Nacht den Anschein gehabt hatte; vielleicht zwei Dutzend Schritte, und nur ein kleines Stück flussabwärts sogar noch deutlich schmaler. Seine Oberfläche war erstaunlich ruhig und glänzte da, wo sich das Licht der Morgensonne darauf brach wie auf einem See aus tiefschwarzem Pech, aber selbst hier spürte sie den eisigen Hauch, der vom Wasser aufstieg.
Schaudernd wandte sich Katharina ab, sah sich einen Moment lang suchend um und ging dann zum Bug, um Hugin und Munin einzusammeln. Die beiden Kater fielen sofort schnurrend mit ihren rauen Zungen über ihre Hände her, begannen dann aber überrascht und schließlich protestierend zu piepsen, als sie sie in ihr Körbchen setzte. Unverzüglich versuchten sie wieder hinauszuklettern, doch Katharina schubste sie mit sanfter Gewalt zurück und hielt sie fest, indem sie mit einer Hand ihre Köpfchen kraulte und mit der anderen nach dem geflochtenen Deckel griff.
»Es tut mir leid, meine Kleinen«, sagte sie. »Ich lasse euch nicht gerne im Stich, aber hier seid ihr besser aufgehoben, glaubt mir. Vera wird sich um euch kümmern, und euer Freund Dwegr ist ja auch da.«
Hugin – vielleicht war es auch Munin, es gelang ihr immer noch nicht, die beiden eineiigen Katerzwillinge auseinanderzuhalten – piepste so vorwurfsvoll, als hätte er die Worte verstanden, und Katharina spürte ein heißes Brennen in den Augen und beeilte sich, den Deckel auf das Körbchen zu setzen und festzuknoten, bevor sie den Kampf gegen die Tränen endgültig verlor.
Rasch streifte sie ihren Mantel ab, stieg mit einem Fuß auf die niedrige Bordwand hinauf und setzte ihren Entschluss in die Tat um, noch bevor sie ihn wirklich in Gedanken fassen konnte(und damit vielleicht begriff, wie verrückt er war), um mit einem kraftvollen Hechtsprung ins Wasser hinabzutauchen.
Sie hatte sich gleich in doppelter Hinsicht getäuscht: Das Wasser war noch sehr viel kälter, als sie befürchtet hatte, und die Kälte traf sie nicht wie ein Schlag, sondern schien das Blut in ihren Adern zu Eis erstarren zu lassen und begann augenblicklich, jedes bisschen Kraft aus ihren Gliedern zu saugen.
Zu ihrem Glück hatte sie sich aber auch noch in anderer Hinsicht geirrt: Der Fluss war ein gutes Stück schmaler, als sie geglaubt hatte. Schon als sie nach ihrem beherzten Sprung wieder auftauchte, hatte sie ihn mehr als zur Hälfte überwunden, und die Strömung riss sie nicht nur mit sich, sondern trug sie fast genauso schnell zur anderen Seite. Katharina versuchte Luft zu holen und zugleich ungeschickt die Schwimmbewegungen nachzuahmen, die sie so oft bei den anderen beobachtet hatte, aber Letzteres erwies sich als nicht annähernd so leicht, wie sie geglaubt hatte, und Ersteres endete in einem qualvollen Hustenanfall, als sie modrig riechendes Wasser schluckte. Augenblicklich kam sie aus dem Takt, geriet endgültig in Panik und wurde von der Strömung weiter herum- und gleichzeitig unter Wasser gerissen. Irgendetwas schrammte schmerzhaft an ihrer Hüfte und dann an ihren Knien entlang, und etwas anderes traf sie mit der Wucht eines Fausthiebes in den Leib, sodass sie vor Schmerz und Überraschung aufschrie … oder es wenigstens versuchte. Mit dem einzigen Ergebnis allerdings, dass sie des letzten bisschens kostbarer Atemluft verlustig ging und noch mehr Wasser schluckte.
Panische Angst ergriff von Katharina Besitz, sie schlug und trat wie von Sinnen um sich und verlor zu allem Überfluss nun auch noch die Orientierung, sodass sie nicht einmal mehr wusste, wo oben und unten war. Dass sie durch ihr verzweifeltes Strampeln an die Wasseroberfläche kam, statt noch tiefer zu tauchen, war nichts als schlichtes Glück.
Aber sie schaffte es, brach prustend und keuchend aus demFluss und konnte nicht nur einen einzelnen, unendlich kostbaren Atemzug nehmen, sondern sah auch aus den Augenwinkeln, dass sie dem Ufer
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