Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Gegenteil immer mehr zu. Die Wulfiborg hallte wider von aufgeregten Stimmen und hastigen Schritten, Lärmen und Schreien und Poltern und dem Klirren von Metall. Ein sonderbar scharfer Geruch hing in der Luft, den Katharina nicht genau einordnen konnte, der aber ein vages Gefühl von Gefahr in ihr wachrief, und ihre Führer beschleunigten ihre Schritte noch einmal, als sie das Gebäude verließen und auf den an drei Seiten von hölzernen Palisaden umgebenen Hof hinausstürmten.
Jetzt waren die Schreie nicht mehr zu überhören. Der Himmel über der Burg glühte rot im Widerschein zahlreicher Fackeln, die auf der anderen Seite der Palisade brannten, und sie hörte ein Raunen und Rumoren und ein Geräusch wie von etwas Riesigem und Schwerfälligem, das dort draußen herankroch. Mandreds Söldnerheer, das genau in diesem Moment zum Sturm auf die Wulfiborg ansetzte.
Erik bellte ein einzelnes Wort in seiner rau klingenden Muttersprache, und Jorun ergriff sie am Handgelenk und begann zu rennen, sodass Katharina alle Mühe hatte, nicht von den Füßen gerissen zu werden. Rings um sie herum tauchten plötzlich Männer auf, schwer bewaffnete Krieger, die aus dem Nichts zu kommen schienen und dem Tor und den steilen Leitern entgegeneilten, die auf den Wehrgang hinaufführten. Aus dem Raunen und Rumoren des näher rückenden Söldnerheeres wurde urplötzlich ein Chor gellender Kriegsrufe, aus mehr als hundert rauen Kehlen gebrüllt, und noch bevor sie das jenseitige Ende des Hofes erreicht hatten, erbebte das Tor unter einem gewaltigen Schlag, als hätte ein Riese von außen dagegengetreten, und die ersten Pfeile kamen über die Palisade geflogen, ohne jedoch Schaden anzurichten.
Auch auf der anderen Seite des Hofes gab es eine Palisade, die allerdings nicht einmal mannshoch war und so neu und improvisiert wirkte, als wäre sie gerade erst und in aller Hast errichtet worden. Dahinter ragte das Segel der Fenrir auf, dessen gestickter Wolfsschädel der Dämmerung eine trotzige Herausforderung entgegenzubrüllen schien. Statt eines Tores gab es nur einen drei oder vier Schritte messenden Durchgang, den ihre beiden Führer mit weit ausgreifenden Schritten anstrebten. Schatten bewegten sich dahinter, die sie nicht genau identifizieren konnte, die ihre Angst aber noch zusätzlich schürten.
Gerade als Jorun und sie den Durchgang fast erreicht hatten, erscholl hinter ihnen ein gewaltiges Poltern und Krachen, und Katharina warf im Laufen einen hastigen Blick über die Schulter zurück.
Der Anblick, der sich ihr bot, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Das große Tor in der Palisadenwand war halb aus den Angeln gerissen, und durch die entstandene Lücke drängten Dutzende von Bewaffneten. Der Hof schien unter Schreien und Waffengeklirr zu erbeben, als sich Wulfgars Krieger den eindringenden Söldnern entgegenwarfen, ohne die lebende Springflut aus Fleisch und Eisen indes wirklich aufhalten oder nennenswert verlangsamen zu können. Immer mehr und mehr Soldaten strömten durch das aufgebrochene Tor herein, und ihre Zahl überstieg schon jetzt die der Verteidiger um ein Vielfaches, obwohl nun auch die Krieger von den Wehrgängen wieder herunterkamen, um sich ihren Kameraden anzuschließen. Es war ein Kampf von einer Wildheit und Wut, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt hatte.
Und doch: Irgendetwas an diesem Anblick … war nicht so, wie es sein sollte.
Katharina kam nicht dazu, den Gedanken zu Ende zu denken, denn Jorun war anscheinend der Meinung, dass sie genug gesehen hatte, und zerrte sie mit solcher Kraft weiter, dass sienur die Wahl hatte, ihr zu folgen oder einfach hinter ihr hergeschleift zu werden.
Sie stolperten auf einen hölzernen Steg hinaus, hinter dem die Fenrir auf sie wartete. Katharina sah die gewaltige Drakkar jetzt zum ersten Mal aus allernächster Nähe, und erneut fiel ihr auf, wie riesig und drohend das Drachenboot im Vergleich zu Eriks Werdandi wirkte; von der pfeilschnellen Heimdall gar nicht zu reden. Dutzende von Gestalten drängten sich auf dem von runden Schilden gesäumtem Deck. Katharina versuchte, Ansgar irgendwo in dem Durcheinander auszumachen, aber Jorun ließ ihr auch jetzt wieder keine Zeit, sondern setzte mit einem beherzten Sprung über den Schildwall hinweg, um auf das tieferliegende Deck zu gelangen, und zerrte sie kurzerhand mit sich.
Katharina bewältigte das artistische Kunststück nicht ganz so elegant. Ihr Fuß schrammte an einem der Schilde entlang, und sie kam ungeschickt auf,
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