Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
verzierter Bug wie der emporgereckte Hals einer riesigen Seeschlange aus dem Nebel ragte. Erik besaß also insgesamt vier Schiffe, vielleicht sogar mehr. Er musste ein sehr reicher Mann sein; vielleicht sogar reicher, als Graf Ellsbusch es gewesen war.
Katharina hatte versucht, noch ein wenig Schlaf zu finden, was natürlich nicht funktioniert hatte. Zu viel ging ihr durch den Kopf, und rein gar nichts davon schien auch nur den mindesten Sinn zu ergeben. So hatte sie den größten Teil der Nacht damit zugebracht, in dem winzigen Zelt zu liegen und die beiden hilflosen Kätzchen an sich zu drücken, um ihnen wenigstens ein bisschen Wärme zu spenden, wenn es sonst schon nichts gab, was sie für sie tun konnte. Es war eine dunkle und schlimme Nacht gewesen, die kein Ende nehmen wollte.
Jetzt war sie fast froh, in dieser Nacht keinen Schlaf gefunden zu haben, denn dann hätte sie vielleicht diesen ganz besonderen magischen Moment verpasst, in dem sie zum ersten Mal eine fremde Welt sah, in der sie doch einen Gutteil ihres zukünftigen Lebens verbringen sollte.
Inmitten des Nebels erschienen vage Bewegungen, zuerst so schattenhaft und zart, dass sie unter der bloßen Berührung ihres Blickes zu vergehen schienen, doch als sie näher kamen, gerannen sie zu menschlichen Umrissen, und kurz darauf hörte sie auch Stimmen. Die beiden anderen Schiffe fielen fast unmerklich zurück, sodass die Werdandi den Steg zuerst erreichte und mit einem sachten Ruck endgültig zur Ruhe kam. Noch bevor die Männer damit beginnen konnten, das Schiff zu vertäuen, wurden aus den Schatten menschliche Gestalten, die auf den Steg hinausdrängten und ihnen mit großem Hallo und heftigem Gestikulieren und Winken entgegenkamen. Sofort begannen überall aufgeregte Gespräche und Diskussionen, Frauen eilten auf den Steg oder gleich ganz an Bord, um ihre Männer zu begrüßen, Söhne ihre Väter, oder Freunde Freunde, die sie augenscheinlich lange nicht mehr gesehen hatten. Noch während die beiden anderen Schiffe an ihnen vorüberglitten und den zweiten Steg ansteuerten, entstand an Bord ein solches Gedränge, dass Katharina es fast ein bisschen mit der Angst zu tun bekam, einfach erdrückt zu werden.
Schließlich nahmen Erik und einer seiner Krieger sie in die Mitte, während ein weiterer vorausging und ihnen mit seinen breiten Schultern den Weg bahnte, aber nicht einmal dann kamen sie wirklich gut voran.
Es wurde erst besser, als sie den Steg hinter sich gelassen hatten und die kurze Böschung zum Dorf hinauf im Angriff nahmen. Sie war so steil, dass man überall schmale Stufen in die Erde gegraben und mit dicken Ästen und Balken abgestützt hatte, sodass eine Art komplizierter Treppe entstanden war, bei deren bloßem Anblick ihr beinahe schwindelte.
Als sie sich dem ersten der sonderbaren Gebäude näherten, kam ihnen eine schlanke Frau unbestimmbaren Alters entgegen, deren blondes Haar zu denselben dicken Zöpfen geflochten war wie das Ansgars. Ihr Gesicht leuchtete auf, als sie Erik erblickte, und sie winkte ihm zu und beschleunigte ihre Schritte. Erneut gab es ein großes Hallo und eifriges Geschnatter, und Katharina musste die Worte nicht verstehen, um zu begreifen, dass die beiden offenbar mehr als nur flüchtige Bekannte waren.
Schließlich ließ Erik die Frau los und wandte sich mit einem aufgeregten Wedeln mit beiden Händen zu Katharina um. »Das ist Arla«, sagte er. »Meine Tochter und Ansgars Tante.« Er wedelte noch aufgeregter mit den Händen. »Katharina.« Dann fügte er noch einen kurzen, aufgeregten Redeschwall in seiner Muttersprache hinzu.
Arla legte den Kopf auf sie Seite und betrachtete sie mit unverhohlener, aber freundlicher Neugier. Dann erschien ein neuer, fragender Ausdruck in ihren Augen, und ihr Blick wanderte aufmerksam und mehrmals an ihrer Gestalt hinab und wieder hinauf, aber erst nach einigen weiteren Augenblicken wurde Katharina klar, dass ihr Erstaunen wohl weniger ihr selbst als dem Kleid galt, das sie trug.
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Erik, unvermittelt wieder ins Deutsche wechselnd. »Ich erzähle sie dir später, aberjetzt muss sie erst einmal zur Ruhe kommen; und ich nehme an, gegen ein gutes Frühstück hätte sie auch nichts einzuwenden, nach der anstrengenden Nacht, die hinter ihr liegt. Du hast das Kochen nicht verlernt, in der Zeit, in der ich fort war?«
»In ganzen drei Wochen?« Arla lachte, stutzte dann und machte ein fragendes Gesicht, als sie erst jetzt die beiden winzigen
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