Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
ein schlechtes Omen und nannten sie Jormungand . Irgendwann hat sie diesen Namen dann angenommen, und sogar ich habe sie so genannt, oder wenigstens Jormun … obwohl sie eigentlich Katharina hieß.«
»Jormungand?«
»Der Name der Midgardschlange, in der alten Sprache«, erklärte Arla. Sie schien Katharina anzusehen, dass sie diese Antwort eher noch mehr verwirrte, denn sie fuhr mit einem angedeuteten Lächeln fort: »Das ist nur eine Figur aus unseren alten Legenden, Kind. Die Midgardschlange, eine der drei Erzfeinde der Menschen, die einen ewigen Kampf gegen die Götter führt.Aber keine Sorge.« Sie blinzelte ihr beinahe verschwörerisch zu. »Am Schluss wird sie natürlich von Thor mit seinem Hammer erschlagen.«
Katharina lächelte nicht, und sie begriff auch nicht ganz, was Arla an dieser alten Geschichte so lustig fand. Ihr machte sie Angst, und genau das sollte sie Arla doch eigentlich auch machen. Sicherlich war es nur eine alte Geschichte – aber eben genau eine von jenen ketzerischen Geschichten, die dazu angetan waren, die Seelen der Menschen zu verderben. Vater Cedric hatte sie oft genug davor gewarnt, und Arla sollte das eigentlich so gut wissen wie er – wenn sie denn wirklich das war, was zu sein sie vorgab.
»Die Menschen damals waren abergläubisch«, fuhr Arla fort. »Manche hat dieses Muttermal erschreckt, und andere haben darin ein Zeichen der Götter gesehen. Ich glaube, manche tun es heute noch.« Sie wechselte ein paar Worte in ihrer Muttersprache mit Erik, und er nickte, antwortete aber so, dass auch Katharina ihn verstand. »Ja, du hast Recht. Vielleicht sollten wir es eine Weile für uns behalten … obwohl fast jeder im Zelt es gesehen hat.«
»Und was … ist mit ihr geschehen?«, fragte sie zögernd, als Erik nicht weitersprach. »Mit deiner Frau, meine ich.«
Ein Ausdruck vager Trauer erschien in seinen Augen. »Sie ist gestorben, nur kurze Zeit, nachdem Arla auf die Welt kam«, antwortete er. »Niemand weiß, warum. Eines Tages wurde sie krank und starb, einfach so. Ich glaube, dass sie in unserem Land einfach nicht leben konnte. Vielleicht habe ich selbst sie getötet, indem ich sie mitgenommen und gezwungen habe, dort zu leben, statt in dem Land, in dem sie geboren wurde.«
»Red nicht so einen Unsinn«, sagte Arla. Sie schüttelte den Kopf und fuhr fort, seinen Arm zu behandeln. Erik ignorierte ihren Einwurf.
»Wir hatten zwei Töchter«, fuhr er fort. »Arla ist die jüngere. Sie hat dasselbe Mal auf dem Rücken, wie ihre Mutter es hatte. Und auch ihre ältere Schwester; Ansgars Mutter.«
»Und … ich«, vermutete Katharina. Ihr Herz klopfte, und ihre Gedanken begannen sich immer schneller im Kreis zu drehen.
Statt direkt zu antworten, nickte Erik seiner Tochter zu, und Arla ließ von seinem Arm ab und stand auf. Sie zögerte noch einmal kurz, drehte sich dann aber um und streifte ihr Kleid herunter, sodass Katharina ihren bloßen Rücken sehen konnte.
Das Mal war genau da, wo sie Arlas tastende Finger auf ihrem eigenen Rücken gespürt hatte, nur ein kleines Stück unter dem linken Schulterblatt und damit genau über dem Herzen. Sie sah es zum ersten Mal mit eigenen Augen und war trotz allem verblüfft. Es war rot, vielleicht halb so lang wie ihre Hand und sah tatsächlich aus wie eine Schlange mit emporgerecktem Kopf.
Zögernd stand sie auf, hob die Hand und tastete mit zitternden Fingern über das rote Mal. Es fühlte sich sonderbar an, hart wie Narbengewebe und zugleich auch lebendig, als verberge sich unter Arlas glatter Haut tatsächlich eine winzige Schlange, die durch einen geheimnisvollen Zauber dort eingesperrt war.
Arla ließ sie eine ganze Weile gewähren, bevor sie ihr Kleid wieder hochzog und ihr mit einem wortlosen Kopfnicken bedeutete, sich wieder zu setzen.
»Und was ist mit meiner … ich meine, mit Arlas Schwester passiert?«, fragte sie.
Erik lächelte flüchtig, als er ihren Beinahe-Versprecher bemerkte, wurde aber dann umso ernster. »Ich bitte dich, Ansgar nicht zu verraten, was ich dir jetzt erzähle«, sagte er. »Wenigstens für eine Weile. Habe ich dein Wort?«
Katharina nickte, ohne dass sie indes wirklich verstand, was er meinte. Hinter ihrer Stirn tobte ein Sturm, der nicht nachließ, sondern immer schlimmer wütete.
»Wir haben Ansgar erzählt, sie wäre gestorben, aber das ist nicht wahr«, sagte Arla.
»Warum?«
»Weil wir nicht wollten, dass er seine Mutter in schlechter Erinnerung behält«, antwortete Erik. »Sein
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