Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
einmal, hob die Schultern und fuhr dann in unbehaglichem Ton fort: »Jedenfalls nicht so, wie du jetzt glaubst. Und ganz bestimmt nicht für lange.«
Jetzt verstand Katharina gar nichts mehr. Sie war auch nicht sicher, ob sie ihn überhaupt verstehen wollte .
»Du hast Pardeville gehört, und auch diesen Pfaffen«, fuhr er fort. »Er – und vor allem Wulfgar – würden nur zu gerne Krieg gegen uns führen. Bjarnisund ist vielen hier schon seit langem ein Dorn im Auge. Ein armes Christenmädchen aus den Klauen der Heiden zu befreien wäre genau der Vorwand, nach dem sie schon lange suchen.«
Katharina war ziemlich sicher, dass das Arlas Worte waren, die sie hörte, auch wenn sie aus Ansgars Mund kamen. »Und deshalb ist es besser, wenn ich nicht mehr da bin«, sagte sie.
»Es ist besser, wenn es so aussieht , als wärst du nicht mehr da«, verbesserte sie Ansgar hastig. »Nur für eine Weile, bis sich die Gemüter ein bisschen abgekühlt haben. Wenn erst einmal bewiesen ist, wer wirklich hinter dem Angriff auf Ellsbusch steckt, dann interessiert sich niemand mehr für ein Waisenkind, das bei den Barbaren lebt, weißt du? Aber so lange ist es besser, wenn du nicht da bist.«
»Ich habe gesehen , wer es war«, erinnerte ihn Katharina.
»Und mein Großvater und ich und alle anderen in Bjarnisund glauben dir«, sagte Ansgar. »Aber das allein reicht nicht.«
»Weil ich nur ein dummes Waisenkind bin?«
Ansgar zog es vor, diese Frage zu überhören. »Noch ist das Thing nicht zu Ende«, antwortete er. »Aber eigentlich weiß jeder, wie es ausgehen wird. Ich glaube, wir werden in unsere alte Heimat zurückkehren, wo wir auch hingehören.«
»Und Arla hat Angst, dass sie euch nicht gehen lassen, solange ich bei euch bin«, vermutete Katharina. Ansgar hob nur die Schultern, und Katharina zerbrach sich einen Moment lang vergebens den Kopf darüber, was sie von alledem halten sollte. Sie sollte zornig werden – vor allem auf Arla, von der sie bisher geglaubt hatte, sie könne ihr vorbehaltlos vertrauen! –, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen.
Vielleicht weil sie tief in sich spürte, dass sie Recht hatte.
»Wir haben Freunde in Santen«, erwiderte Ansgar ausweichend und ohne sie dabei anzusehen. »Sie werden dich verstecken, bis wir endgültig entschieden haben.«
»Und warum hat Erik mir das nicht selbst gesagt?«, wollte Katharina wissen.
»Erik!« Ansgar schnaubte. »Du kennst unseren Großvater nicht! Wenn du versuchst, ihn zu etwas zu zwingen, was er nicht will, dann wird er immer noch sturer … sogar wenn es im Grunde das ist, was er selbst will.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Selbst Arla wird einen schweren Stand haben, ihm beizubringen, was passiert ist. Aber bisher hat sie noch immer ihren Willen durchgesetzt. Sie ist eine sehr kluge Frau, weißt du?«
Wenn nicht sie, wer dann? Schließlich hatte Arla sie mit nur wenigen Worten dazu gebracht, genau das zu tun, was sie von ihr wollte – und das, ohne es auch nur mit einem einzigen Wort auszusprechen. Und sie konnte sich anstrengen, so sehr sie wollte, sie konnte ihr einfach nicht böse sein.
Und außerdem war da noch etwas, das sie tief drinnen in ihrer Seele berührte, und das auf eine so wohltuend warme Weise, dass ihr die Worte fehlten, um es zu beschreiben. Unser Großvater, hatte Ansgar gesagt.
Er hatte behauptet, dass sie eine Stunde brauchen würden, um die Köhlerhütte zu erreichen, und wahrscheinlich hatte er damit Recht; aber Katharina kam es trotzdem so vor, als wären sie Ewigkeiten unterwegs. Ihr war so kalt, dass sie wie Espenlaub zitterte, und ihre Zehen und Finger waren so steif gefroren, dass sie die Zügel nicht einmal mehr hätte halten können, wenn sie es gewollt hätte. Irgendwann – zwar reichlich spät, aber immerhin – hatte Ansgar seinen Mantel abgestreift und ihr umgehängt, und die Kälte war zwar nicht wirklich besser geworden, aber wenigstens nicht noch schlimmer.
Dennoch begann sie sich ernsthaft zu fragen, ob sie diese Nacht überleben würde, lange bevor Ansgar endlich anhielt und ihr mit einem stummen Wink bedeutete abzusteigen. Steif gefroren und entsetzlich müde, wie sie war, nahm sie es ihm ein wenig übel, dass er keinen Finger rührte, um ihr beim Absteigen zu helfen, verbot sich aber jede entsprechende Bemerkung, als sie sah, wie schwer auch ihm jede Bewegung fiel. Zum allerersten Mal fragte sie sich, ob sie ihn vielleicht wirklich schwer verletzt hatte. Aber sie sparte sich auch diese
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