Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
»Glaubst du etwa, wir lassen ein kleines Mädchen ganz allein durch die Nacht marschieren? So etwas ist gefährlich! Du könntest dich verirren oder ins Wasser fallen, und es gibt hier wilde Tiere. Außerdem weiß man nie, wen man trifft.«
Katharina beschloss, das kleine Mädchen zu überhören. »Und du hast in aller Ruhe zugesehen, wie ich beinahe ertrunken wäre?«, fragte sie empört.
Ansgar warf einen forschenden Blick in die Dunkelheit, bevor er mit einem Kopfschütteln antwortete: »Wir hätten dich schon gerettet, wenn es nötig gewesen wäre, keine Angst. Und du hast dich ziemlich gut geschlagen, für jemanden, der nicht einmal schwimmen kann, finde ich. Das meine ich ernst.«
Katharina glaubte ihm, aber das machte sie allerhöchstens noch wütender. »Warum?«, fauchte sie.
»Weil du es wirklich gut gemacht hast. Für jemanden, der nicht schwimmen kann, war das verdammt mutig.«
»Ihr habt mich die ganze Zeit beobachtet!«, sagte sie wütend. »Hat es Spaß gemacht, sich über mich lustig zu machen?«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«, fragte Ansgar.
»Ihr hättet mich jedederzeit aufhalten können, aber ihr habt in aller Ruhe abgewartet, bis ich mir die Beine in den Bauch gelaufen habe, um mich dann zurückzuholen! Nehmt ihr im Dorf schon Wetten an, wie weit ich gekommen bin?«
Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte geglaubt, dass Ansgar ehrlich verletzt aussah. »Sieht das hier etwa so aus, als würde ich dich zurückbringen?«, fragte er.
Jetzt war Katharina erst einmal so perplex, dass sie gar nichts mehr sagte, sondern ihn nur ansah. »Nicht?«, brachte sie schließlich mühsam heraus.
Ansgar schüttelte heftig den Kopf. »Du bist nicht unsere Gefangene«, erinnerte er. »Wenn du gehen willst, dann haben wir nicht das Recht, dich daran zu hindern.« Er deutete ein Schulterzucken an, und nun klang seine Stimme wieder ein wenig spöttisch. »Ich an deiner Stelle wäre vielleicht nur nicht mitten in der Nacht losgelaufen, und so ganz ohne alles.«
Katharina hatte das Gefühl, jetzt eigentlich noch wütender werden zu sollen, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen …und wenn doch, dann allerhöchstens auf sich selbst. »Und … wohin bringst du mich?«, fragte sie.
»Wohin willst du denn?«, erwiderte Ansgar.
Sie antwortete nicht darauf, aber Ansgars Blick machte deutlich, dass er gar keine Antwort erwartet hatte. Nach einem weiteren Moment hob er die Hand und deutete in die Dunkelheit vor sich. »Du hast die Feuer der Köhler gesehen. Mit einem von ihnen bin ich gut befreundet. Sie werden dich bestimmst aufnehmen – nur für heute Nacht, keine Sorge«, fügte er hastig hinzu. »Es wird noch kälter, und diese Wälder sind wirklich gefährlich, sogar ohne Wulfgar und seine Krieger. Nicht einmal die Einheimischen gehen nachts in den Wald.«
Katharina fiel erst jetzt auf, dass er den Zügel ihres Pferdes mittlerweile nicht mehr hielt, sondern sie ganz allein ritt. Panik wollte nach ihren Gedanken greifen, aber sie kämpfte sie nieder und stellte nach einem weiteren Moment fest, dass Reiten gar nicht so schwer war, wie sie befürchtet hatte. Wenigstens so lange, wie man nur geradeaus ritt und dem Pferd alles andere überließ, hieß das.
»Wird dein Großvater nicht zornig werden, wenn er erfährt, dass du mich einfach hast gehen lassen?«, fragte sie.
Ansgar sah sie gerade lange genug schweigend an, um aus einem vagen (und ziemlich hässlichen) Verdacht, der sich in ihren Gedanken einnisten wollte, mehr zu machen. Als er schließlich antworten wollte, kam sie ihm zuvor: »Er weiß es, nicht wahr?«
»Nein!«, sagte Ansgar; viel zu schnell, wie sie fand.
»Hat er dich beauftragt, auf mich aufzupassen?«, fuhr sie in verändertem Ton fort. Oder – wer weiß? – ihm vielleicht sogar aufgetragen, dafür zu sorgen, dass sie ging?
Dieser Gedanke war so hässlich, dass sie es nicht wagte, ihn laut auszusprechen, aber er schien ihn in ihren Augen zu lesen, denn er sah plötzlich eindeutig schuldbewusst aus.
»Nein«, sagte er noch einmal, und mit noch weniger Überzeugung in der Stimme. Mit einem Mal hatte er nicht einmal mehr die Kraft, sie anzusehen, während er weitersprach. »Arla. Sie hat –«
»Arla?«, unterbrach ihn Katharina ungläubig. »Arla wollte, dass ich gehe?« Sie weigerte sich, das zu glauben. Nicht Arla, diese sanftmütige, stets zu einem Lächeln aufgelegte Frau! Nicht die einzige Freundin, die sie je gehabt hatte!
»Nein«, sagte Ansgar noch
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