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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Ich schlage dir daher ein Geschäft vor, das sich für dich lohnen wird.«
    Brigitta hatte sie richtig eingeschätzt, denn Grete schluckte ihre Wut hinab und lauschte mit wachsendem Respekt, während Frau van Berchem ihr einen Vorschlag unterbreitete, der an Durchtriebenheit kaum zu überbieten war. Als Brigitta geendet hatte, pfiff sie anerkennend.
    »Das verstehe ich als Zustimmung?«, schnarrte Brigitta.
    Grete grinste breit und nickte.
    Drohend trat Brigitta ganz nah an Grete heran und bohrte ihren dunklen Blick in deren wässrige Augen. »Wag es ja nicht, mich zu betrügen!«, zischte sie. »Und glaub nicht, dass ich dir das Geld auf einmal gebe, damit du dich damit aus dem Staub machst.« Brigitta griff nach einem ledernen Beutel, der auf dem Tisch lag. »Dies sind dreihundert Gulden. Eine Summe, der sie nicht widerstehen können! Du bringst die Seide hierher, bevor du sie zum Spinnen trägst, damit ich sie sehe. Dann erst bekommst du neues Geld.«
    Hochzufrieden verließ Grete das Haus Xanten. Heute noch würde sie ihr letztes Lehrmädchen nach Hause schicken, überlegte sie. Sicher ist sicher. Bei dem, was sie vorhatte, konnte sie keine neugierigen Ohren und Augen in der Werkstatt gebrauchen, und überdies hatte sie nun keine Verwendung mehr für das Mädchen – ohnehin eine dusselige Trine, die das Geld nicht wert war, das sie verfraß.
    Das war ein Geschäft nach ihrem Geschmack, freute Grete sich. Eine gute Weile würde sie sich jetzt nicht mehr hinter ihren Webstuhl setzen müssen, denn sie würde Geld verdienen, ohne dafür mit den eigenen Händen zu arbeiten. Und es würde mehr Geld sein, als Brigitta erwartete, dachte sie voller Genugtuung und rieb sich die Hände. Weit mehr, als der Frau van Berchem lieb war!

19 .  Kapitel
    S eit alters her war der Martinstag der Tag der Abrechnung. Bedienstete, die sich übers Jahr verdingt hatten, erhielten ihren Martinstaler und wechselten die Stellung, und Schuldner kamen ihren Verpflichtungen nach. Und so war es denn für Lisbeth keine Überraschung, dass sich früh am Morgen Liese Backes und Gundula von Bruwiler, die ehedem für Frieda Medman und ihre Tochter Dora gearbeitet hatten, bei ihr melden ließen.
    »Sankt Martin ist ein harter Mann, für den, der nicht bezahlen kann«, murmelte Lisbeth. Sie überließ Andreas und den wenige Wochen alten Peter der Obhut ihrer Amme und stieg in ihre Schreibstube hinab, um die Seidmacherinnen zu empfangen. Wenn auch die Schmerzen bei der Geburt sie genauso heftig gepeinigt hatten, so war es doch gänzlich anders gewesen, ihren zweiten Sohn daheim in der Geborgenheit ihrer Kammer zu bekommen, von den Mägden umsorgt und ohne die unglücklichen Umstände, unter denen sie Andreas zur Welt gebracht hatte.
    Liese Backes lehnte Lisbeths Angebot, Platz zu nehmen, freundlich ab. »Zweihundertfünfzig Gulden – wie vereinbart«, kam sie sogleich zur Sache und legte einen schweren ledernen Beutel auf den Tisch in Lisbeths Schreibstube. Ihre Tochter band sich gleichfalls einen Beutel vom Gürtel und legte ihn wortlos neben den der Mutter.
    »Ihr sagtet …« Liese stockte und schlang die Finger ineinander. »Ihr sagtet, Ihr würdet uns neue Seide geben, zu den gleichen Bedingungen?«, fragte sie nach.
    Lisbeth nickte erfreut. Ihre Bemühungen schienen Früchte zu tragen. Diese beiden hatten ihre Seide verwebt und die Tuche sicher gewinnbringend verkaufen können, so dass sie ihrer Verpflichtung pünktlich hatten nachkommen können.
    »Ich lasse sie Euch in den nächsten Tagen bringen.« Lisbeth lächelte Liese an. »Euch auch?«, fragte sie und wandte sich an Gundula von Bruwiler.
    Die junge Seidmacherin nickte. Sie schaute Lisbeth dabei nicht an, sondern hielt den Blick starr auf den Boden der Stube gesenkt.
    »Einen gesegneten Martinstag!«, wünschte Liese Backes und fasste ihre Tochter am Arm.
    Sie schien es eilig zu haben, was kaum verwunderlich war, denn heute warteten die Vorbereitungen für den Festschmaus am Abend auf jede Frau, die einen Hausstand unterhielt. Jedermann, der es sich leisten konnte, wollte vor Beginn der vorweihnachtlichen Fastenzeit noch einmal ausgiebig schlemmen – an diesem Tage vornehmlich eine gebratene Gans, gefüllt mit Äpfeln, Rosinen und Kastanien.
    »Auch Euch einen gesegneten Martinstag!«, erwiderte Lisbeth Lieses Gruß, und beinahe ungebührlich schnell verließen die Frauen ihre Schreibstube.
    Es dauerte nicht lange, bis die nächste Besucherin eintrat, um wie vereinbart ihre

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