Die Tochter der Seidenweberin
will mich verheiraten!«, brach es aus Sophie heraus. »Mit irgend so einem reichen Kerl! Aber ich lasse mich nicht verheiraten! Eher esse und trinke ich nicht mehr, bis ich verhungere! Am besten, ich rasiere mir den Schädel kahl! Dann soll Vater sehen, wie er für mich einen passenden Mann findet – einen, der eine Frau mit Kahlkopf will!«
Lisbeth unterdrückte ein Schmunzeln. Sophies Kummer dauerte sie, doch die Vorstellung, wie Andreas seinem potentiellen Eidam hoffnungsvoll seine kahlgeschorene Tochter präsentierte, weckte in ihr eine ungehörige Schadenfreude.
»Ich gehe fort! Nach Valencia zu Großmutter!«, drohte Sophie unbeherrscht. »Ich …«
»Na, die wird sich freuen, eine unerzogene Enkelin am Hals zu haben!«, unterbrach Lisbeth sie.
Sophie klappte verblüfft den Mund zu. Auf den Gedanken, Fygen wolle sie nicht bei sich haben, war sie gar nicht gekommen.
Natürlich würde Fygen Sophie aufnehmen, wenn diese es denn bis Valencia schaffen sollte, dachte Lisbeth. Mit ihren harschen Worten hatte sie nur Sophies Tirade unterbrechen wollen, um die Aufmerksamkeit ihrer Nichte zu erlangen. Was ihr augenscheinlich gelungen war. »Abzuhauen ist wohl das Dümmste, was du tun kannst!«, sagte sie schonungslos. »Wenn du nach Valencia gehst, wirst du deinen Godert nie wiedersehen.«
Ernüchtert ließ Sophie sich auf die Bank fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
Lisbeth ließ ihre Worte einen Moment wirken, dann fuhr sie mit verschwörerischer Stimme fort: »Dein künftiger Gemahl wird wenig Freude an dir haben, wenn du nicht in der Lage bist, einen Haushalt zu führen. Bevor du also heiratest, musst du das zuerst einmal lernen. Das sollte auch deinem Vater einleuchten.«
Irritiert hob Sophie den Kopf. Was hatte ihre Unfähigkeit, einen Haushalt zu führen, mit ihrem Kummer zu tun? Oder wollte Tante Lisbeth ihr damit sagen, dass sie es für zu früh hielt, dass man sie verheiratete? Ein winziger Hoffnungsschimmer blitzte in Sophies Augen auf, doch nur, um gleich darauf wieder zu erlöschen. »Ich hasse es, im Haus zu arbeiten!«, rief sie leidenschaftlich.
»Sophie!«, mahnte Lisbeth.
»Entschuldigung, Tante Lisbeth. Ich wollte sagen: Haushaltsführung ist so unsäglich langweilig!«
»Langweilig oder nicht« – Lisbeth bemühte sich, ihrer Stimme Strenge zu verleihen –, »gleich, wen du heiratest, ob deinen Godert oder einen anderen, lernen musst du es.«
Sophie verzog das Gesicht, doch Lisbeth fuhr, davon unbeeindruckt, fort: »Deine Mutter ist eine großartige Hausfrau, und die Wolkenburg ist ein großes Haus, doch dort wirst du schwerlich alles lernen können, was du wissen musst. Im Haus deiner Eltern gibt es bereits zu viele Frauen, die sich die Aufgaben teilen. Deine Mutter, die Hagere Hilda, deren Gehilfin Regina, deine Schwester Johanna …«
Bei der Erwähnung ihrer älteren Schwester verzog Sophie abermals das Gesicht. Die Vorstellung, sich von ihr herumkommandieren zu lassen, war für sie schlicht ein Greuel. »Nein, ich kann nicht …«, hob sie an zu protestieren. Doch jetzt hatte Lisbeths Geduld mit ihrer Nichte ein Ende. »Nun hör mir gefälligst zu und unterbrich mich nicht dauernd!«, herrschte sie sie an.
Sophie verstummte überrascht. Nur sehr selten hatte sie bisher erlebt, dass ihre Tante diesen Ton anschlug.
Lisbeth nickte zufrieden. »Ich selbst könnte deine Hilfe brauchen. Im Haushalt und mit den beiden Kindern, jetzt, wo Katryn nicht mehr bei uns ist«, sagte sie ruhig. Erst nach dem Tod von Mertyns Mutter war ihr bewusst geworden, wie vollkommen Katryn all die Jahre mit stiller Hand den Haushalt geleitet hatte.
Verdrießlich starrte Sophie Lisbeth an, getraute sich jedoch nicht, ihr abermals zu widersprechen.
Lisbeth ignorierte ihren stummen Protest. »Natürlich ist das eine tagfüllende Aufgabe«, fuhr sie fort. »Doch ich glaube, dass du ihr auch gerecht wirst, wenn du einen oder zwei Tage in der Woche bei Färber Quettinck in der Werkstatt …« Weiter kam sie nicht.
Als Sophie verstand, welchen Ausweg ihre Tante ihr bot, sprang sie mit lautem Freudengeheul auf, schlang Lisbeth die Arme um den Hals und drückte sie fest an sich. Er bedeutete einen Aufschub ihrer Hochzeit und überdies die Möglichkeit, wenigstens die Grundlagen des Seidfärbens zu erlernen, das sie so interessierte.
»Tante Lisbeth! Du bist großartig! Danke! Oh, dank dir vielmals! Fahren wir jetzt gleich in die Wolkenburg? Sprichst du mit Vater?«
»Einen Moment noch«,
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