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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Wanderschaft gehen, Tante Lisbeth!«, klagte sie und begann haltlos zu weinen. »Kannst du nichts dagegen tun?«
    Wortlos schloss Lisbeth das Kind in ihre Arme und wiegte es, bis das Schluchzen leiser wurde, dann half sie Sophie auf den Wagen.
    »Kannst du es Godert verdenken, dass er lernen will, sein Handwerk noch besser zu beherrschen?«, fragte sie, als Mathias die Zügel lockerte und sich der Wagen in Bewegung setzte. Sanft strich sie Sophie eine feuchte Strähne aus dem Gesicht. »Du solltest stolz auf ihn sein. Wenn er zurückkehrt, wird er einer der besten Seidfärber der Stadt.«
    »Wenn er zurückkehrt, hat Vater mich längst an einen ekelhaften alten Mann verheiratet«, stieß Sophie unglücklich hervor.
    »Ich wäre beinahe in die Wolkenburg zu deinen Eltern gefahren, weil ich dachte, du seiest dort«, sagte Lisbeth. »Du kannst von Glück sagen, dass ich gesehen habe, wie Jacobus dir den Brief gab.«
    Erschrocken presste Sophie die Hand auf den Mund. »Oh, Tante Lisbeth! Bitte sag es ihnen nicht! Und verzeih mir, dass ich einfach so davongelaufen bin. Ich konnte nicht anders. Ich musste ihn noch einmal sehen.« Wieder entschlüpfte ihr ein Schluchzer.
    »Ich werde es ihnen nicht verraten«, beruhigte Lisbeth sie. »Wenn du mir versprichst, nie wieder davonzulaufen.«
    »Das verspreche ich!«, beteuerte Sophie, und in diesem Moment meinte sie es auch so. Immer noch hielt ihre kleine Faust den Gegenstand, den Godert ihr gegeben hatte, fest umschlossen. »Was hat Godert dir gegeben?«, fragte Lisbeth, um Sophies Gedanken in andere Bahnen zu lenken.
    Behutsam öffnete Sophie die Faust. Auf ihrem Handteller lag ein kleiner hölzerner Anhänger in Form eines winzigen Weberschiffchens. Eine feine Schnitzarbeit, die Godert für seine Liebste gefertigt hatte.
    Lisbeth fuhr bewundernd mit dem Finger darüber. »Wie schön! Dein Godert ist wirklich ein Künstler«, sagte sie.
    Als sie das Haus Zur Roten Tür erreicht hatten, führte Lisbeth Sophie geradewegs in ihre Schlafkammer hinauf. »Ich glaube, ich habe etwas für dich«, sagte sie, öffnete den kleinen Kasten, in dem sie ihren Schmuck aufbewahrte, und nahm ein silbernes Kleinod heraus. Es war das Armband, das Stephan ihr einst geschenkt hatte. Lisbeth würde es nie wieder anlegen, doch sie sah keinen Grund, warum Sophie es nicht tragen sollte. »Ich schenke es dir«, sagte sie und reichte ihrer Nichte das Band. »Du kannst den Anhänger daran befestigen.«
     
    »Was für eine Frechheit!« Brigitta van Berchem schäumte vor Wut. Ihre spitz vorspringende Nase war weiß vor Zorn, und auf ihren hageren Wangen hatten sich rote Flecken der Empörung gebildet. Erregt lief sie in ihrem Kontor vom Kamin zum Tisch und wieder zurück, während sie aufgebracht vor sich hin schimpfte. Ihre Schwester Gunda begleitete ihre unstete Wanderung mit einem Schritt Abstand.
    »Freches Miststück!«, fluchte Brigitta. »So eine Dreistigkeit! Was glaubt sie, wer sie ist? Das kann sie mit einer van Berchem nicht machen!«
    Eine Weile fuhr Brigitta darin fort, auf und ab zu gehen und zu fluchen, bis sie plötzlich mitten im Schritt innehielt und ihre Faust in die hohle Hand hieb. »Ja, so kann es gehen!«
    Gunda, die nicht bemerkt hatte, dass ihre Schwester stehen geblieben war, stieß unsanft in Brigittas Rücken.
    »Kannst du nicht aufpassen!«, herrschte Brigitta sie an. »Was stehst du so dumm da? Lauf und hol mir Grete Elner her!«, fauchte sie.
    Nicht lange darauf trat Grete in das Kontor im Haus Xanten. Es war nicht ratsam, die Frau van Berchem lange warten zu lassen.
    »Ihr wünscht mich zu sprechen?«, fragte Grete höflich. »Habt Ihr Arbeit für mich?«
    »Ja!«, beschied Brigitta ihr. Sie hielt es nicht für nötig, Grete einen Platz anzubieten. »Aber du sollst nicht weben. Das überlassen wir getrost anderen. Außerdem bist du eine lausige Weberin. Du würdest mir den Ruf ruinieren.«
    Grete schnappte ob dieser Unhöflichkeit nach Luft, doch Brigitta war noch nicht fertig mit ihren Verunglimpfungen. »Ich habe dich rufen lassen, weil du faul bist, dreist und verschlagen.«
    Empört blies Grete die Backen auf. Auch wenn es Frau van Berchem war, die vor ihr stand – beleidigen lassen musste sie sich nicht. Giftig blickte sie auf die drahtige Seidmacherin, die sie um mehr als Haupteslänge überragte, herab und holte Luft zu einer harschen Entgegnung.
    Doch mit einer einzigen Handbewegung schnitt Brigitta ihr das Wort ab. »Wie ich dich kenne, kannst du Geld brauchen.

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