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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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wie bisher bei der Wahrheit zu bleiben: »Eine Bedingung hat sie gestellt: Ihr durftet nichts von ›unserem kleinen Geschäft‹ erfahren.«
    »Sie?«,
wiederholte Lisbeth tonlos. »Wer ist
sie?
Wer hat die Seide gekauft?«
    Ida zögerte abermals. »Grete Elner«, sagte sie schließlich.
    Lisbeth spürte, wie kalte Wut ihr die Röte ins Gesicht trieb. Grete Elner! Dieses bösartige Miststück! War dieses Weib denn nur auf Erden, um ihr und ihrer Familie das Leben schwerzumachen. Nur unter Mühen gelang es ihr, sich zu beherrschen und nicht laut herauszuschreien.
    »Danke, dass Ihr es mir gesagt habt«, brachte sie schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Aber unter den Umständen werde ich Euch natürlich keine neue Seide geben können.«
    Ida nickte. Verlegen wand sie sich auf ihrer Stuhlkante. Ihr fiel es sichtlich schwer, zu fragen: »Ich weiß, ich habe Euer Vertrauen nicht verdient, aber darf ich trotzdem wieder für Euch um Lohn weben?«
    Lisbeth zögerte. Wenn Ida nicht für sie webte, dann würde sie sich bei einer anderen Verlegerin verdingen. Bei Grete? Bei den Berchem-Schwestern? Sie bedachte Ida mit einem grimmigen Lächeln. »Um Eurer, wenn auch reichlich späten, Ehrlichkeit willen: ja.«
    Als Ida ihre Schreibstube verlassen hatte, ließ Lisbeth sich erschöpft auf ihrem Stuhl zurücksinken. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander.
    Gescheitert! Sie hatte Katryns Geld zwar nicht verloren, doch ihr schöner Plan, den Frauen zu ihrer Unabhängigkeit zu verhelfen, war gescheitert. Nun verstand Lisbeth auch, wie alle Weberinnen ihr Geld so pünktlich hatten zurückzahlen können. Ihre Eile hatte nichts mit den Vorbereitungen zum Martinstag zu tun gehabt. Sie hatten ein denkbar schlechtes Gewissen. Ihnen allen hatte Grete ihre gute Seide aus Valencia abgekauft. Und das auch noch um zwanzig Gulden unter Wert!
    Natürlich würde sie ihnen die Seide nun nicht mehr geben. Doch woher hatte Grete überhaupt davon gewusst, fragte Lisbeth sich. Und woher hatte sie das Geld? Elftausendundzweihundert Gulden musste sie den Weberinnen gezahlt haben, rechnete Lisbeth aus. Unwahrscheinlich, dass Grete oder ihre Mutter über solche Mittel verfügten.
    Wer also steckte dahinter? Brigitta van Berchem? Frieda Medman oder eine von den anderen Seidmacherinnen? Nein, entschied Lisbeth. Die waren eines so ausgekochten Plans nicht fähig. Die Einzige, der sie so etwas zutraute, war Brigitta. Lisbeth konnte sich zwar nicht recht vorstellen, dass Brigitta van Berchem mit Grete einen Pakt schloss, hatte sie diese doch unlängst aus ihren Diensten entlassen, andererseits jedoch hatte Brigitta sich auch bei Herman eines gewissenlosen Handlangers bedient.
    Anscheinend hatte Lisbeth ihre Gegnerin unterschätzt! Wie hatte sie nur so blauäugig sein können, zu glauben, dass Brigitta es einfach hinnehmen würde, dass sie deren Weberinnen zur Eigenständigkeit verhalf?
    Energisch sprang Lisbeth auf und eilte aus ihrer Schreibstube. Unverzüglich würde sie zu Grete gehen und diese zur Rede stellen. Sie warf sich einen Umhang über die Schultern und eilte durch den Flur, doch in dem Moment, als Lisbeth die Tür öffnen und hinaustreten wollte, wurde von draußen dagegen gehämmert, als gelte es das Leben.
    Es war Martinstag, aber für die Heischegänge der jungen Burschen war es beileibe noch zu früh, wunderte Lisbeth sich und öffnete die Tür. Nicht weniger verwunderte es sie allerdings, als sich ihr Sophie tränenüberströmt in die Arme warf. Entgegen ihrem Versprechen war das Mädchen wieder einmal davongelaufen.
    Vor wenigen Tagen war Sophies Lehrzeit bei Lisbeth zu Ende gegangen, und sie war zu ihrer Familie in die Wolkenburg heimgekehrt. Sie hatte keine Prüfung vor den Damen und Herren zum Seidamt abgelegt – obwohl Lisbeth sicher war, dass Sophie diese mit Bravour bestanden hätte –, aus dem einfachen Grunde, weil die Zunft keinen Vorstand mehr hatte, vor dem sie ihre Fähigkeiten hätte unter Beweis stellen können.
    »Ich gehe fort!«, stieß Sophie unter Schluchzen hervor. »Ganz weit fort!«
    »Aber Sophie!« Lisbeth versuchte ihre Nichte zu beruhigen. »Nichts kann so schlimm sein, als dass du fortlaufen müsstest. Komm erst einmal herein.« Behutsam zog sie Sophie ins Haus und schob sie vor sich her in die Stube. »Und nun erzähl! Was ist geschehen?«, fragte sie, nachdem sie die Tür sorgsam hinter sich geschlossen hatte. Das Gesinde musste nicht Zeuge von Sophies Kummer werden.
    »Vater

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