Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
Vom Netzwerk:
Selbstbeherrschung zurückgewonnen.
    »Nachdem du dich zurückgezogen hattest, war mein Leben sinnlos geworden. Ich wäre am liebsten gestorben, wollte mit dieser Schuld nicht mehr leben. Da fühlte ich plötzlich eine Berührung an der Schulter und wusste, dass es Thomas war. In meinem Kopf hörte ich seine Stimme, die mir zurief, ich solle nach Hause zurückkehren. Sie war so lebendig, dass ich herumfuhr und fast damit rechnete, ihm gegenüberzustehen. Doch es war nicht Thomas. Es war eines der Pferde, das mich mit den Nüstern berührt hatte. Die Sonne spiegelte sich in den silbernen Beschlägen seines Sattels, es schien zu mir gekommen zu sein, um mich ins Leben zurückzuholen. In jenem Augenblick war ich mir sicher, dass Thomas mir das Pferd geschickt hatte. Plötzlich war alles ganz einfach. Ich kroch zu den übrigen Pferden, band sie los und trieb sie auseinander. Und dann ritt ich nach Alexandria.« Er holte noch einmal tief Luft. »Ich hatte Glück, der Lübische Adler , die Kogge von Kapitän Ludger, lag bereits im Hafen. Am folgenden Morgen liefen wir aus. Einige Wochen später erreichten wir Lübeck. Ich trennte die Silberplatten von deinem Sattel, verkaufte sie, um ein wenig Reisegeld zu haben. Es dauerte von Lübeck aus noch eine Woche, bis ich wieder zu Hause war. Nun weißt du, warum ich dir damals dein Pferd gestohlen habe.«
    Karim zog seinen Geldbeutel hervor und legte fünf Silberdenare auf den Tisch.
    »Was soll das?«, fragte Stephan.
    »Du hast mir nie ein Pferd gestohlen«, erwiderte Karim. »Wie mir scheint, hat mein Pferd vielmehr dich gestohlen. Und deshalb kann es auch keinen Kaufpreis geben.«
    »Dann nimm ihn für den Sattel!« Stephan schob die Münzen wieder zu Karim hinüber. »Das ist ungefähr die Summe, die ich für das Silber bekam.«
    »Manchmal ist dein Stolz unerträglich.«
    »Manchmal«, bestätigte Stephan. »Aber du kannst mir eine andere Gefälligkeit erweisen, die mir sehr viel bedeuten würde.«
    »Welche?«
    »Wenn ich beim Tjost genügend Geld gewinne, würde ich gern einen Teil davon nutzen, um Bespina, ihren Sohn und ihre Schwester freizukaufen. Könntest du das für mich regeln und ihnen eine Anstellung auf deinem Gut geben?«
    »Selbstverständlich, ich …«
    Die Tür zur Gaststube wurde heftig aufgerissen, und mehrere Männer traten ein. Sofort verstummten alle Gespräche an den Tischen, so machtvoll war das Erscheinen der Ankömmlinge.
    »Meinolf von Brack!«, entfuhr es Stephan.
    »Oh, angezogen hätte ich ihn fast nicht erkannt«, bemerkte Karim. »Glaubst du, das gibt Ärger?«
    »Ja«, erwiderte Stephan, denn Meinolf wurde von sechs Waffenknechten begleitet.
    Karim leerte seinen Becher. Mittlerweile hatte Meinolf sie entdeckt und trat an ihren Tisch.
    »Sieh an, Stephan von Cattenstedt! In muselmanischer Begleitung? Oder hat der Heide sich zum Christentum bekehrt, nachdem er sich derweil so angemessen kleidet?«
    »Spart Euch die üble Nachrede, Herr Meinolf!«, entgegnete Stephan. »Ihr wisst genauso gut wie ich, dass mein Freund Christ ist.«
    »So?« Meinolf zog einen Schemel heran und setzte sich mit an den Tisch. Seine Begleiter blieben hinter ihm stehen. In der Gaststube war es noch immer totenstill. Die Augen aller Gäste waren auf die drei Männer gerichtet.
    »Was wollt Ihr von uns?«, fragte Karim. »Ihr seht doch, dass dieser Tisch zu klein ist für uns alle. Nehmt den dort hinten! Dann müssen Eure Begleiter nicht länger stehen.«
    »Wir sind nicht zum Trinken hier.«
    »Wenn Ihr essen wollt, wird es erst recht zu eng.«
    »Ich habe keine Zeit für lächerliche Spielchen«, zischte Meinolf. »Ich will wissen, wohin Ihr unterwegs seid. Einer meiner Männer hat beobachtet, dass Ihr unser Gebiet durchquert habt.«
    »Mein Freund« – Karim wies auf Stephan – »sagte mir, in diesem Gasthaus gebe es das beste Bier und die fettesten Brathühner. Ich war neugierig, ob das stimmt. Deshalb sind wir hier.«
    »Das soll ich Euch glauben? Ein voller Tagesritt, um in einer heruntergekommenen Herberge Bier zu trinken?«
    »Vergesst nicht die Hühner!« Karim grinste. »Die waren den weiten Weg wert.«
    »Antwortet mir ehrlich, oder Ihr werdet es bereuen!« Meinolf warf seinen Begleitern einen kurzen Blick zu, die daraufhin drohend die Hände um die Griffe ihrer Schwerter legten.
    »Was wollt Ihr hören? Dass mir die hübsche Schankmaid gefällt?«
    »Schlagen wir sie mit dem Tisch nieder!«, raunte Stephan Karim auf Arabisch zu.
    »Guter Vorschlag«,

Weitere Kostenlose Bücher