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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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bereits das erste frische Brot, das gerade heiß aus dem Ofen gezogen worden war. Auf Burg Birkenfeld wurde an jedem Tag außer am Sonntag gebacken. Ein Vorzug, den nur wenige Haushaltungen boten. In den meisten Burgen und Höfen wurde nur einmal in der Woche gebacken.
    Ihr Vater saß bereits in der Küche beim Morgenmahl, und das wunderte Antonia. Für gewöhnlich war er nicht so früh auf den Beinen. Wenn er doch einmal zeitig aufstand, dann allenfalls, um wichtige Angelegenheiten der Grafschaft mit den Söhnen oder dem Vogt zu klären.
    »Guten Morgen«, begrüßte sie ihn freundlich und nahm ihm gegenüber Platz.
    »Guten Morgen. Bist du aus dem Bett gefallen?« Er zwinkerte ihr zu.
    »So wie du?«, erwiderte sie keck.
    Ihr Vater lachte, doch dem Lachen fehlte die Kraft. Die Fehde mit den Regensteinern belastete ihn mehr, als er zugeben mochte.
    »Hier, das Brot kommt frisch aus dem Ofen.« Philip reichte es ihr.
    »Danke.« Antonia brach sich ein Stück ab. »Sag, Vater, darf ich dir eine Frage stellen?«
    »So förmlich? Sonst plapperst du doch drauflos, wie dir der Schnabel gewachsen ist.«
    »Wusstest du, dass Karim Stephan schon einmal begegnet ist?«
    »Nein.« Ihr Vater schüttelte den Kopf.
    »Was weißt du eigentlich über Stephan? Ich meine, außer dass man ihn aufgrund seiner Tapferkeit zum Ritter geschlagen hat.«
    »Dieser junge Mann scheint dich ja reichlich zu beschäftigen. Was hat Karim erzählt?«
    Antonia wiederholte Karims Bericht, und ihr Vater hörte aufmerksam zu. Sie versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, doch er ließ sich keine Gefühlsregung anmerken.
    »Was denkst du?«, fragte sie, nachdem sie geendet hatte.
    »Es waren schwierige Zeiten. Ich glaube, Stephan wollte kein Wagnis eingehen.«
    »Was hättest du an seiner Stelle getan?«
    »Ich hätte den Mann, der mir Wasser reicht, nach seinem Namen gefragt. Aber das kannst du nicht vergleichen. Ich bin im Orient geboren, ich kenne die Gepflogenheiten. Zudem …« Er zögerte.
    Antonia sah ihn aufmunternd an, und er sprach weiter.
    »Du sagst, Karim habe zwei tote Muslime und einen toten Ritter vorgefunden. Stephan ist damals gemeinsam mit seinem Bruder Thomas aufgebrochen. Aber nur er kehrte zurück.«
    »Du meinst, der Tote war sein Bruder?«
    »Womöglich.«
    Sein Bruder … Wenn das stimmte, dann hatte Stephan vermutlich in jedem arabisch gekleideten Mann einen Feind gesehen.
    »Hat er dir je von seinen Erlebnissen in Ägypten berichtet?«
    Philip schüttelte den Kopf. »Sein Vater bat mich, ihn in meine Dienste zu nehmen. Ich kannte Stephan von früher und war deshalb sofort bereit. Allerdings …«
    »Ja?«, fragte Antonia nach.
    »Ich kannte ihn als jungen Burschen von sechzehn, siebzehn Jahren. Der Mann, den ich in meine Dienste nahm, hatte mit diesem Jungen nichts mehr gemein.«
    »Wie war er früher?«
    »Übermütig und zu Scherzen aufgelegt. Er hatte die Fähigkeit, mit einer kurzen, knappen Bemerkung alle zum Lachen zu bringen. Und er hat selbst am lautesten mitgelacht.«
    Antonia versuchte sich den jungen Burschen vorzustellen. Ein lachender Stephan …
    »Ich möchte ihm helfen.«
    Philip seufzte. »Ich fürchte, das liegt nicht in unserer Macht. Deine Mutter hat es bereits versucht – vergeblich.«
    »Sie hat es versucht?« Antonia horchte auf. Das war ihr neu.
    »Schon bei der ersten Begegnung fiel deiner Mutter auf, dass seine Seelenflamme nur noch ein schwaches Glimmen ist. Doch er wich jeder Hilfe aus.«
    »Sie hat ihn aufgegeben?«
    »Nein, sie gesteht ihm sein Verhalten zu. Das ist ein Unterschied.«
    Antonia drehte ihr Brotstück unschlüssig in den Händen.
    »Ist das wirklich ein Unterschied?«, fragte sie. »Mutter hat die Macht, die Beladenen von ihrer Last zu befreien. Besäße ich ihre Fähigkeit, dann … dann würde ich nicht zögern, Stephan zu helfen.«
    »Du kannst niemandem gegen seinen Willen helfen.«
    »Woher weißt du, dass er jeden Beistand ablehnt? Vielleicht« – sie suchte nach den rechten Worten – »ist er nur zu scheu, ihn anzunehmen.«
    Ihr Vater schüttelte kaum merklich den Kopf. »Antonia, du verrennst dich in deinem Wunsch, Stephan zu retten. Vermutlich sollten wir dankbar sein, dass du nicht Mutters Fähigkeit geerbt hast.«
    »Warum?«
    »Ich fürchte, dir fehlt die nötige Geduld. Wie ich schon sagte – du kannst niemandem gegen seinen Willen helfen. Im Gegenteil, du würdest die Menschen verschrecken. Deine Mutter weiß, wann sie sich zurückhalten muss und wann es

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