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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Wagen, begleitet von zwölf Waffenknechten und dem Regensteiner Vogt Hubertus. Die Bauern nannten ihn hinter vorgehaltener Hand Hubertus Raffzahn. Früher hatte Stephan darüber gelacht, inzwischen schmeckte die Erinnerung schal.
    »Jetzt!«, hörte er Alexanders Ruf. Ein Dutzend Pfeile schwirrte durch die Luft, sieben Waffenknechte schrien auf, die Geschosse hatten sie in Armen und Beinen getroffen. Der nächste Pfeilregen folgte. Das Pferd des Vogts wieherte und stürmte auf und davon. Ging ihm das Reittier durch, oder versuchte der feige Raffzahn zu fliehen? Stephan schwang sich in den Sattel, galoppierte den Hohlweg hinunter und folgte dem Regensteiner Vogt.
    Hinter sich hörte er die Kampfschreie der Männer, doch seine Aufmerksamkeit galt nur dem Flüchtling. Wenn Hubertus Alarm schlug, war ihr Vorteil dahin.
    Stephans Pferd war schneller, er holte den Vogt ein, griff ihm in die Zügel. Dessen Pferd scheute, Hubertus stürzte rücklings aus dem Sattel und jammerte lauthals. Stephan schüttelte verächtlich den Kopf und stieg ab.
    »Los, hoch mit Euch, Herr Hubertus!«, befahl er. »Eure Flucht ist zu Ende.«
    »Stephan von Cattenstedt«, keuchte der Vogt. »Was maßt Ihr Euch an?«
    »Nichts, das Ihr nicht verdient.« Rücksichtslos zerrte er den Mann auf die Füße. »Und nun kommt mit!«
    Hubertus unternahm keinen Fluchtversuch. Er war ein Knecht des Rechenbretts, kein Kämpfer. Stephan ließ ihn vor sich hergehen, während er selbst die Pferde führte. Die Kampfhandlungen waren vorüber, die Regensteiner besiegt. Einige hatten Verwundungen davongetragen, die übrigen lagen gebunden am Boden.
    »Was fangen wir mit den Gefangenen an?«, fragte Karim.
    »Wir lassen sie hier zurück. Man wird schon nach ihnen suchen, wenn die Lieferungen ausbleiben«, entgegnete Alexander. Dann fiel sein Blick auf Stephan und den Vogt.
    »Du hast ihn erwischt, das ist gut.«
    »Ich habe auch schon einen schönen Baum für ihn gefunden.« Stephan stieß Hubertus vorwärts. »Hat jemand ein Seil?«
    »Was … was soll das?«, keuchte der Vogt.
    »Keine Sorge!« Stephan packte ihn grob an der Schulter. »Ihr sollt nicht baumeln, sondern Wurzeln schlagen.«
    Donatus und Christian lachten, während er den Vogt an den dicken Stamm einer Eiche fesselte.
    »Wir haben gute Beute gemacht!«, rief Barthel. Der Waffenknecht hatte die Wagendecken zurückgeschlagen und gab den Blick auf die Abgaben frei: Mehlsäcke, geflochtene Käfige, aus denen Hühner ihre neugierigen Hälse reckten, fette Stallhasen, Würste, Schinken, eingemachte Früchte, Krüge mit Milch und Butter. Sogar Bierfässer lagerten auf einer der Fuhren.
    »Da wird bei den Regensteinern keine Freude aufkommen!« Alexander lachte. »Zwei Wagen voller Ladung, dazu dreizehn Reitpferde und Waffen. Damit haben die Regensteiner gewiss nicht gerechnet. Und nun lasst uns verschwinden!«
    Auf dem Weg nach Birkenfeld lenkte Karim sein Pferd neben Stephan.
    »Wirst du mir eine Frage beantworten?«
    »Wozu?«
    »Wer hat damals wen überfallen? Gehörtest du zu einer dieser Banden aus versprengten Kreuzrittern? Oder warst du das Opfer von Wüstenräubern?«
    »Was schert es dich?«
    »Ich will es wissen.«
    »Es ändert nichts an den Tatsachen.«
    »Also warst du der Räuber.«
    Der Hieb saß. Stephan hatte nicht erwartet, dass ihn Karim mit nur einem Satz so tief zu treffen vermochte.
    »Nein«, entgegnete er. »Wir waren die Überfallenen.«
    »Du sahst nicht so aus, als sei viel bei dir zu holen gewesen.«
    Stephan schwieg und trieb sein Pferd zu schnellerer Gangart an. Karim blieb beharrlich an seiner Seite.
    »Wenn du der Überfallene warst, weshalb hattest du noch deine Waffen?«
    »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.«
    »Ein Mann mit gutem Gewissen hätte meine Hilfe angenommen. Nur ein Mörder hätte Grund zur Flucht gehabt.«
    »Glaubst du?«
    »Ja.«
    »Es ist mir gleich, was du über mich denkst.«
    »Aber mir nicht. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
    »Mit dem Mann, der dein Pferd gestohlen hat.«
    »Warum hast du es gestohlen?«, bohrte Karim weiter.
    Stephan holte tief Luft. »Weil ich nicht zu Fuß gehen wollte.«
    »Wir hätten dich mitgenommen und dir geholfen.«
    Unvermittelt zügelte Stephan sein Pferd. »Jetzt hör mir zu, Karim ben Said al-Musawar oder wie immer du dich nennst. Du weißt nichts über mich. Hätte ich gewollt, wärst du an jenem Tag gestorben. Aber ich sah, dass du nicht mit der Waffe, sondern mit einem Wasserschlauch kamst.

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