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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Verschlag wurde geöffnet, und alle stürzten hinaus. Jede Rücksichtnahme war vergessen. Thomas und ich hielten uns zurück, während andere sich gegenseitig niedertrampelten. Wir gehörten zu den Letzten, die das Gefängnis verließen. Zu dieser Zeit tobte auf der Straße bereits ein heftiger Kampf. Und ich sah, dass Lacroix uns belogen hatte. Nicht die Quartiere der Stadtwache brannten, sondern die Häuser der einfachen Leute. Lacroix und seine Vertrauten hatten Pferde aufgetrieben. Mein Bruder hatte schon zwei am Zügel ergriffen, da hörte ich eine Frau schreien. Vor einem der brennenden Häuser. Keiner kümmerte sich um sie, weder ihre Landsleute und erst recht keiner von uns. Mein Arabisch war damals noch sehr schlecht, aber ich hörte, wie sie immer wieder rief: ›Mein Kind! Mein Kind!‹ Dabei deutete sie auf das brennende Haus.«
    »Und du bist hineingerannt, ohne nachzudenken, statt mit deinem Bruder zu fliehen?«
    Stephan nickte. »Es war ein kleines Mädchen, ungefähr so alt wie das Kind heute früh. Beim Verlassen des Hauses stürzte ein Deckenbalken ein und traf mich. Thomas hat das Kind und mich herausgezogen. Tja, da waren die Pferde natürlich längst weg, aber ich konnte mich ohnehin nicht mehr bewegen. Ich sah noch, wie mehrere Stadtwächter auf uns zustürmten, und hoffte, es möge schnell gehen. Der Schmerz in meinem Rücken war so grauenvoll, dass mir der Tod wie eine Erlösung vorkam.«
    Stephan leerte den Rest seines Bechers.
    »Du lebst«, sagte Karim. »Sie haben euch also nicht getötet.«
    »Ich erinnere mich noch, wie die Frau den Männern zurief, wir hätten ihr Kind gerettet. Deshalb ließen sie uns am Leben.«
    »Und dann?«
    »Du wolltest die Geschichte vom Feuer hören. Das war sie.«
    »Du kannst nicht mitten in der Geschichte mit dem Erzählen aufhören! Ich will wissen, wie es weiterging.«
    »Kennst du Rafik ben Tahir?«
    Karim nickte. »Ein wohlhabender Kaufmann, der mit Teppichen und kostbaren Tuchen handelt. Und er hat eine kleine Pferdezucht, die aber nur dem eigenen Vergnügen dient. Er kaufte gelegentlich Pferde von meinem Vater.«
    »Und manchmal erwarb er vom Hauptmann der Stadtwache auch Kriegsgefangene als Sklaven.«
    »Ihr wurdet an Rafik ben Tahir verkauft?«
    Stephan griff zum wiederholten Mal nach dem Weinkrug.
    »Oh, er ist leer! Nun, das passt. Meine Geschichte ist ohnehin zu Ende.«
    »Erzählst du weiter, wenn ich einen zweiten Krug mit Wein auftreibe?«
    »Ich habe schon viel zu viel geredet. Gute Nacht, Karim.« Er wollte sich abwenden, doch Karim hielt ihn am Arm fest.
    »Warte!«
    »Was ist noch?«
    »Hast du mir damals misstraut, weil du auf der Flucht warst?«
    »Nein.«
    »Was war es dann?«
    »Lass es gut sein. Ich habe dir genug von mir erzählt.«
    »Warum willst du nicht weiterreden?«
    »Weil es dich nichts angeht.«
    Karim ließ ihn los.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise.
    Stephan nickte nur, ging an Karim vorbei und verließ die Mauer.

 25. Kapitel  
    S o kommen wir nicht weiter.« Kopfschüttelnd räumte Sachmet die ägyptischen Figuren und die Kristallkugel beiseite. »Du bist nicht bei der Sache, Antonia.«
    Antonia seufzte. Es gelang ihr einfach nicht, sich nur auf die Kristallkugel zu konzentrieren und ihre Gedanken zu vertreiben. Immer wieder musste sie an Stephan denken, an das letzte Gespräch mit ihm in Alvelingeroth. Zum ersten Mal war sie sich sicher, dass sie ihm nicht gleichgültig war, ja, dass er ihre Gefühle erwiderte. Vielleicht war es gar nicht mehr nötig, etwas erzwingen zu wollen. Wenn Stephan sie mochte, konnte sie ihm auch ohne besondere Gabe helfen. Womöglich bedurfte es der Fähigkeit, die Seelenflamme zu erkennen, also gar nicht mehr.
    »Es bringt vermutlich ohnehin nichts«, sagte sie zu Sachmet. »Ich danke dir für deine Bemühungen, aber ich fürchte, ich bin nicht berufen.«
    »Ich glaube, du bist nur nicht bei der Sache. Verliebte werden blind für alles andere.«
    »Ach was!«
    »Warum willst du es bestreiten? Außer Christian von Hohnstein weiß es doch ohnehin schon jeder.«
    Antonia horchte auf. »Wie kommst du ausgerechnet auf Christian von Hohnstein?«
    »Hast du nicht bemerkt, wie er dich anhimmelt?«
    »Das nennst du anhimmeln? Ich hatte viel mehr den Eindruck, er betrachte mich mit den Augen seiner Eltern, die in mir eine standesgemäße Ehefrau sehen.«
    Sachmet hatte die Figuren inzwischen in einer Truhe verstaut. Daneben lehnte ihr Bogen an der Wand. Die junge Ägypterin strich behutsam über

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