Die Tochter der Suendenheilerin
teilen, das ihr Verhältnis so grundlegend verändert hatte?
Sie seufzte kaum hörbar auf. Stephan hatte sie um Zeit gebeten, und sie war zum Warten bereit. Auch auf die Gefahr hin, dass sie niemals jene Worte hören würde, nach denen sie sich so sehr sehnte. Je länger sie darüber nachsann, umso sicherer wurde sie, dass es so sein würde. Warum sollte sich ein Mann wie Stephan in sie verlieben? Gewiss, sie war eine gute Partie. Aber vermutlich schreckte dieser Umstand Stephan eher ab. Sie erinnerte sich, wie er ihren Stand wiederholt betont hatte. Und es hatte nicht wie eine Auszeichnung geklungen. Nun gut, sie würde sich in Geduld üben. Auch wenn dies nicht ihre starke Seite war.
»Wir müssen etwas unternehmen.« Die Stimme ihres Vaters riss sie aus ihren Gedanken. »Gegenseitige Überfälle bringen uns nicht weiter. Irgendwann werden sie Menschenleben kosten.« Er seufzte. »Möglicherweise war es ein Fehler, dass ich diese Fehde überhaupt erklärt habe.«
»Nein, Vater!«, widersprach Alexander energisch. »Wir hatten keine andere Wahl. Wir sind im Recht!«
»Mir fällt da etwas ein, Vater«, mischte Antonia sich ein.
Philip wandte sich ihr zu. »Ja?«
»Die Regensteiner haben uns doch beim Bischof wegen unserer Gäste aus Ägypten angeschwärzt. Deshalb schickte uns Bischof Ludolf den Pater Hugo als Kaplan. Weil es hieß, er sei ein strenger Glaubensmann. Doch alles, was wir bislang erlebten, spricht eine andere Sprache. Und wirkte er neulich nicht völlig verunsichert, als du ihm mit einer Beschwerde beim Bischof drohtest?«
»Du hast es bemerkt? Aber du warst doch gar nicht mehr in der Küche.«
»Sachmet und ich haben durch den Türspalt gespäht.«
Philip lächelte. »Ihr seid wahrhaftig zwei durchtriebene junge Dinger!« Dann wurde er wieder ernst. »Und was schließt du aus Hugo vom Waldsees Verhalten?«
»Irgendetwas stimmt nicht mit dem Kaplan. Und auch nicht mit dem Bischof. Sollten wir nicht versuchen, die Hintergründe aufzudecken? Möglicherweise gäbe uns dieses Wissen Macht, die wir gegen die Regensteiner einsetzen können.«
»Und wo möchtest du ansetzen, Antonia?«
»Sachmet könnte ihre Großmutter besuchen. Die edle Mutter Clara weiß als Äbtissin gewiss mehr über die Ränke der Kirche.«
Ihr Vater nickte nachdenklich. »Das wäre eine Möglichkeit. Zwar würde ich euch in diesen Tagen nur ungern auf eine so weite Reise schicken, aber auf Sachmets Bogenschützen können wir uns ganz sicher verlassen.«
»Und Stephan könnte sie ebenfalls begleiten«, schlug Alexander vor. »Hugos Kloster liegt doch ganz in der Nähe von Sankt Michaelis. Wenn ich mich recht erinnere, ist einer von Stephans Brüdern Mitglied des Ordens. Stephan könnte ihn besuchen und ihn nach Hugo fragen.«
»Richtig!«, rief Philip aus. »Ich erinnere mich. Lukas von Cattenstedt ist dem Orden vor dreizehn Jahren beigetreten. Ein guter Gedanke, Alexander.«
Antonias Herz schlug schneller. Stephan würde sie begleiten! Womöglich ergab sich unterwegs die eine oder andere Gelegenheit, ihn noch mehr für sich einzunehmen.
»Wann sollen wir aufbrechen?«, fragte sie.
»Morgen.«
»Morgen schon, Vater?«
»Ja, ich halte es für vernünftig, nach diesem feigen Anschlag so schnell wie möglich zu handeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass euch morgen Regensteiner auflauern, ist gering. Sie glauben sicher, wir würden uns aus Furcht vor einem weiteren Anschlag vorerst auf Birkenfeld verschanzen.«
»Soll ich Stephan holen?«, fragte Alexander.
»Tu das.«
Kurz darauf kehrte Alexander mit Stephan und Karim zurück.
In knappen Worten teilte Antonias Vater seine Entscheidung mit.
»Würdest du mit deinem Bruder sprechen?«, fragte er Stephan zum Abschluss.
Der nickte. »Ich kann allerdings nicht versprechen, dass er mir viel erzählen wird.«
»Wieso? Hat er seine Zunge auch verschluckt?« Karim versetzte Stephan einen leichten Schlag auf die Schulter.
»Nein.«
»Worin besteht die Schwierigkeit?«, fragte Philip.
»Ich habe ihn seit mehr als sechs Jahren nicht gesehen. Menschen verändern sich.«
»Versuch es einfach!«, beschied Antonias Vater. »Wir haben nichts zu verlieren.«
Stephan nickte schweigend.
Antonia hatte den Eindruck, dass ihn etwas belastete. Hatte er kein gutes Verhältnis zu Lukas? Sie überlegte kurz, ob sie ihn auf dem Ritt nach Sankt Michaelis am nächsten Tag danach fragen sollte, aber dann verwarf sie den Gedanken wieder. Es war sicher besser, ihn nicht zu sehr zu
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