Die Tochter der Tryll Verborgen Band 1
Verantwortung, unser Volk zu führen.«
»A ber wenn es mich nicht gäbe, würdet ihr eine andere Königin wählen, richtig? Ich meine, es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben«, stammelte ich. Ich begriff noch gar nicht, was sie mir da eröffnet hatte.
»S o einfach ist das nicht. Wir sind nicht alle gleich«, fuhr Elora fort. »U nsere Familie hat viel stärkere Fähigkeiten als die anderen. Du benutzt bereits die Überzeugungskraft, und du hast noch viel mehr Potenzial. Die Vittra haben nur selten irgendwelche Fähigkeiten. Dich in ihrem Stamm zu haben, würde ihre Macht und ihren Einfluss deutlich steigern.«
»W illst du damit sagen, dass ich mächtig bin?« Ich hob skeptisch die Augenbraue.
»E ines Tages wirst du es sein«, verbesserte sich Elora. »D eshalb musst du hier leben und unsere Traditionen lernen. Damit du den Platz einnehmen kannst, der dir gebührt.«
»O kay.« Ich holte tief Luft und strich meine Schlafanzughose glatt.
Das war alles komplett surreal und ergab überhaupt keinen Sinn. Ich, eine Königin? Absurde Vorstellung. Ich war noch nicht mal als Teenager überzeugend.
»F inn bleibt hier, um dich zu beschützen. Da die Vittra dich suchen, erscheint mir das angemessen.« Elora strich sich über ihren Rock und wich meinem Blick aus. »D u hast sicher noch viele Fragen, aber im Laufe der Zeit werden sie alle beantwortet werden. Jetzt möchtest du dich sicher frisch machen.«
»M oment«, unterbrach ich mit unsicherer Stimme. Sie hob den Kopf und sah mich ablehnend an. »Ä h… wo… ist denn mein Vater?«
»O h.« Elora wendete sich ab und schaute aus dem Fenster. »E r ist tot. Tut mir leid. Er starb kurz nach deiner Geburt.«
Finn hatte mir versprochen, dass hier ein anderes Leben auf mich wartete, ein Leben, das zu mir passte. Aber bisher kam es mir vor wie dasselbe Leben, nur neu dekoriert. Meine echte Mutter verhielt sich mir gegenüber fast genauso lieblos wie meine falsche Mutter, und auch hier war mein Dad nicht mehr am Leben.
»A ußerdem habe ich kein Geld.« Ich verlagerte verlegen mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
»N atürlich nicht. Du wirst dein Erbe wahrscheinlich erst mit einundzwanzig Jahren antreten, aber mithilfe deiner Überzeugungskraft geht es sicherlich schon früher. Finn hat mir gesagt, sie sei schon sehr weit entwickelt.«
»W as?« Ich schüttelte den Kopf. »N ein. Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt etwas erben werde.«
»I ch habe die Everlys wegen ihres Reichtums ausgewählt«, sagte Elora sachlich.
»J a, das weiß ich. Wegen ihrer geistigen Gesundheit kann es nicht gewesen sein.« Ich senkte den Blick, weil ich merkte, dass das frech gewesen war. Aber ich sprach trotzdem weiter.
»M ein Dad hat sich umgebracht, als ich fünf war, deshalb wurde seine Lebensversicherung nicht ausgezahlt. Meine Mom hat noch nie gearbeitet und lebt seit elf Jahren in einer Nervenklinik, was eine Menge gekostet hat. Außerdem sind wir oft umgezogen und haben einen Haufen Geld für Häuser und Privatschulen vergeudet. Wir sind auf keinen Fall arm, aber ich glaube nicht, dass wir so reich sind, wie du glaubst.«
»H ör auf mit diesem ›wir‹! Du gehörst nicht zu ihnen«, zischte Elora und setzte sich auf. »W ovon sprichst du? Die Everlys gehörten zu den reichsten Familien des Landes. Du hast sicherlich nicht ihr ganzes Geld durchgebracht.«
»I ch weiß nicht, wie viel Geld wir– sie– haben, aber wir… äh, ich habe nie wie ein reiches Mädchen gelebt.« Vor Frust schrie ich beinahe. »U nd du hast mir nicht zugehört! Ich hatte eine schreckliche Kindheit! Meine falsche Mutter hat versucht, mich zu töten!«
Mein Geständnis, dass meine Familie vielleicht nicht so stinkreich war, wie Elora geglaubt hatte, war für meine Mutter offenbar schlimmer als die Tatsache, dass Kim versucht hatte, mich zu töten. Elora saß einen Moment lang regungslos da, dann holte sie tief Luft.
»O h. Sie war also so eine.«
»W as meinst du damit?«, drängte ich, und jetzt war ich richtig sauer. Unglaublich, wie gleichgültig sie den Mordversuch an mir wegwischte. »S o eine?«
»N un ja.« Elora schüttelte den Kopf, als bereue sie, den Mund aufgemacht zu haben. »H in und wieder weiß eine Mutter Bescheid. Manchmal verletzen diese Mütter die Kinder oder töten sie.«
»W as? Du wusstest, dass die Möglichkeit bestand, dass sie mich umbringen würde?«, fauchte ich und stand auf. »D u wusstest, dass ich vielleicht sterben würde, hast mich aber
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