Die Tochter der Tryll Verborgen Band 1
erschreckte mich so, dass ich das Bild fallen ließ.
»I ch… ich habe mich verirrt«, stammelte ich und sah ihn an. Er lehnte im Türrahmen.
»I n einen abgeschlossenen Raum?« Er hob eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust.
»N ein, ich…« Ich suchte kurz nach einer Ausrede, gab dann aber auf. Stattdessen hob ich das Bild hoch, auf dem ich ins Nichts griff, und hielt es ihm vors Gesicht. »W as ist das?«
»E s sieht aus wie ein Gemälde und, falls du das anhand der verschlossenen Tür noch nicht gemerkt haben solltest, es geht dich überhaupt nichts an«, sagte Finn, aber er klang nicht wütend. Jedenfalls nicht so wütend, wie es Elora sein würde, wenn sie herausfand, dass ich hier drin gewesen war.
»D as bin ich.« Ich klopfte auf das Bild.
»V ielleicht.« Er schüttelte den Kopf, als sei er nicht überzeugt.
»N ein. Das war keine Frage. Das bin ich«, beharrte ich. »W as mache ich da?«
»I ch habe nicht die leiseste Ahnung«, seufzte Finn. »I ch habe es ja nicht gemalt.«
»H at Elora es gemalt?«, fragte ich, und sein Schweigen war mir Antwort genug. »W arum malt sie so etwas? Und wie hat sie es gemalt? Wir haben uns gestern zum ersten Mal getroffen.«
»S ie hat dich geboren. Ihr habt euch also schon vorher getroffen«, erwiderte Finn trocken.
»J a, als ich ein Baby war. Das zählt nicht«, winkte ich ab. Ich hielt ihm das Bild vors Gesicht, sodass er es ansehen musste. »W arum malt sie solche Bilder? All diese Bilder?«
»B ei deinen ganzen Fragen über den Inhalt dieses Raumes hast du die wichtigste vergessen: Warum ist dieses Zimmer verschlossen?«
Finn sah mich scharf an. »H ast du mal daran gedacht, dass Elora vielleicht nicht will, dass sich jemand die Bilder ansieht?«
»J a, das habe ich.« Ich schaute wieder auf das Bild und ignorierte ihn. »A ber dieses Bild zeigt mich. Ich habe das Recht, zu wissen, wieso.«
»S o funktioniert das nicht. Du hast kein Recht auf die Gedanken anderer Menschen, nur weil sie dich möglicherweise enthalten«, sagte er. »G enauso wenig wie ich das Recht auf deine Gedanken habe, nur weil sie sich um mich drehen.«
»D u nimmst also an, dass ich an dich denke.« Ich kämpfte gegen die Röte, die mir in die Wangen stieg, und schüttelte den Kopf. Diese Richtung würde unser Gespräch nicht einschlagen. »S ag mir einfach, was hier los ist. Und wimmele mich bloß nicht damit ab, dass Elora mir schon alles erklären wird, denn das reicht mir nicht. Nicht, nachdem ich das hier gesehen habe.« Ich legte das Bild zur Seite und schaute Finn an.
»V on mir aus. Aber komm da raus, bevor Elora dich hier findet.« Er gab den Türrahmen frei, damit ich aus dem Zimmer kam.
Ich musste über alle Bilder klettern, die ich herausgezogen hatte, aber er sagte mir nicht, ich solle sie wieder an ihren Platz stellen. Das war auch gut so, denn ich hatte keine Ahnung mehr, wo sie gestanden hatten. In diesem Raum gab es keine erkennbare Ordnung.
Als ich dem Chaos entkommen war, schloss Finn die Tür und überprüfte das Schloss noch einmal.
»A lso?«, fragte ich ihn erwartungsvoll. Er hatte mir den Rücken zugekehrt und rüttelte noch einmal an dem Türknauf. Nichts bewegte sich.
»A lso das ist Eloras privater Bereich.« Er drehte sich um und deutete auf die Tür. »G eh nicht hinein. Fass ihre Sachen nicht an.«
»A ber was ist denn so schlimm an den Bildern? Warum malt sie die Dinger überhaupt, wenn sie sie dann nur wegschließt?«
Er ging den Flur hinunter, also folgte ich ihm. »S ie malt sie, weil sie muss.«
»W as soll das heißen?« Ich legte die Stirn in Falten. »W eil sie einen künstlerischen Drang spürt?« Ich dachte darüber nach, und das ergab noch weniger Sinn. »E lora wirkt gar nicht wie der Künstlertyp.«
»D as ist sie auch nicht«, seufzte Finn. »S ie besitzt Präkognition.«
»W as? Sie kann in die Zukunft sehen?«, fragte ich skeptisch.
»S o ungefähr.« Aber er schüttelte den Kopf, als sei das nicht ganz richtig. »N ein, sie kann die Zukunft nicht sehen. Sie kann sie nur malen.«
»M oment.« Ich blieb stehen, und nach ein paar Schritten blieb auch er stehen und schaute zu mir zurück. »S oll das heißen, all diese Bilder zeigen die Zukunft?«
»I n Relation zu dem Zeitpunkt, an dem sie gemalt wurden, ja.« Finn nickte. »M anche sind alt, und was darauf zu sehen ist, hat sich bereits ereignet.«
»A ber das Bild von mir, das zeigt die Zukunft!« Ich deutete zurück zum Raum. »W as bedeutet es? Was
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