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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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kann uns nicht erzählen, wer sie ist«, murmelte er. »Sehr passend. Sehr praktisch. Also kannst du kein Lösegeld für sie verlangen. Ich könnte versuchen zu raten. Vielleicht hat das Mädchen schon einmal von Seamus Rotbart gehört, dessen Barbaren gute Männer auf den Pässen oberhalb des großen Sees umgebracht haben?« Er starrte mir in die Augen, und plötzlich musste ich an Lady Oonagh denken und nahm meine ganze Willenskraft zusammen, nicht das geringste Anzeichen von Wissen zu zeigen. »Vielleicht kennt sie Eamonn von den Marschen, den Schwiegersohn von Rotbart; seine Vorliebe ist Feuer bei Nacht. Heißes Feuer, das nur Knochen übrig lässt.« Er umkreiste mich abermals. »Vielleicht weiß sie von Lord Colum von Sevenwaters, den wir am wenigsten kennen, dem größten Stachel in meinem Fleisch. Er hat meine besten Männer auf dem Gewissen. Vielleicht kennt sie diese Leute. Jeder hat eine Tochter oder eine Schwester; es sei denn, wir glauben an Wechselbälger. Sieh mich an, Mädchen. Wessen Tochter bist du?«
    Schweigen. Schweigen war die einzige Verteidigung. Einatmen, ausatmen. Versuche, an nichts zu denken. Versuche, deinen Zorn zu beherrschen, versuche, dir den Schmerz nicht ansehen zu lassen. Eure Gedanken flammen dir und Finbar wie ein Leuchtfeuer aus den Augen. Halte sie zurück. Ruhig. Reglos wie ein Stein.
    »Du bist zu weich, Hugh. Das hier wäre ein Kinderspiel. Aber du hast es nie gemocht, dir die Hände blutig zu machen.«
    Er wandte sich Lady Anne zu. »Was ist mit deinem jüngeren Sohn, Schwester? Was würdest du dafür geben, ihn wieder sicher zu Hause zu wissen? Wenn sie dich zu ihm führen könnte, würdest du sie nicht mit allen Mitteln zum Sprechen bringen? Das wäre so einfach. Aber Hugh hier scheint aus Gründen, die er selbst am besten kennt, nicht dazu bereit zu sein. Und das wundert mich.«
    Sieh Lady Anne nicht an. Konzentriere dich aufs Atmen. Einatmen. Ausatmen.
    »Sie ist nur ein Kind«, sagte der Rote sehr leise. Plötzlich wurde mir klar, dass es hier überhaupt nicht um mich ging. Es ging um ihn. Es war Teil eines Spiels, das nur diese beiden Männer verstanden.
    »Sie hat nichts zu sagen. Sie hat mir geholfen, ich habe ihr Zuflucht geboten. Mehr gibt es nicht zu sagen.«
    Es herrschte vollkommene Stille im Raum. Richard zog fragend die Brauen hoch.
    »Sie ist kein Kind mehr, denke ich«, sagte er ölig. Er hatte seiner Tochter und Lady Anne den Rücken zugewandt. Er hob die Hand, berührte mit einem Finger meine Wange und ließ ihn dann langsam über mein Gesicht gleiten, über meinen Hals und über meine Brust, oberhalb des Ausschnitts meines einfachen Kleides. Ich spürte, wie ich bleich wurde, alles in mir krampfte sich vor erinnertem Schrecken zusammen, und ich schnappte nach Luft. Ich sah nicht, wie der Rote sich bewegte – es ging alles zu schnell. Aber er war da und schloss die große Hand um Richards Arm, ziemlich fest, und schob ihn weg.
    »Das genügt«, sagte er leise. Es war nicht notwendig, die Stimme zu heben; der Tonfall genügte. »Das hier ist mein Haushalt, Onkel. Die Dame ist mein Gast. Vielleicht habe ich das nicht deutlich genug gemacht.«
    »Oh, das hast du schon, Hugh, mein Junge, ausgesprochen deutlich.« Er rieb sich das Handgelenk mit scherzhaft bedauernder Miene. Er war wirklich gut. »Ich hoffe, das ist auch deiner Mutter klar – sie ist vielleicht weniger erfreut darüber, dieser … Dame Zuflucht zu geben.« Die kleine Pause war hervorragend berechnet. Aber er kannte seine Zuhörer nicht so gut, wie er glaubte. Elaine runzelte leicht die Stirn, als müsste sie angestrengt nachdenken. Lady Anne war bedrückt. Dennoch winkte sie mir zu, als ich wie erstarrt mitten im Raum stand, und ich nahm alle verbliebene Würde zusammen und ließ mich auf dem bestickten Hocker an ihrer Seite nieder. Mit dieser einen Geste hatte sie mehr gesagt, als viele Worte konnten. Sie war vielleicht mit der Entscheidung des Roten nicht einverstanden; aber er war ihr Sohn, und das hier war sein Haushalt, und sie würde dafür sorgen, dass seine Gäste korrekt behandelt wurden, was immer es sie kosten mochte.
    Danach ließ ich die Abendmahlzeit über mich ergehen. Diesmal war ich besser geschützt, denn die Familie saß zusammen, Lady Anne wie üblich zur Rechten ihres Sohnes, Elaine zu seiner Linken, Lord Richard saß neben seiner Schwester, und wenn ich seinen Blick auf mir spürte, strengte ich mich an, ihn nicht zu erwidern. Weiter unten am Tisch saß ich zwischen

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