Die Tochter der Wälder
Direkt bei dem äußeren Eingang zu meinem Garten gaben meine Beine allerdings aus reiner Erschöpfung nach, und zu meinem enormen Ärger musste er mich diese letzten paar Schritte tragen. Als er die Tür zu meiner Kammer öffnete und mich hineinbrachte, sprang Alys auf und knurrte und bellte wütend. Der Rote setzte mich rasch auf dem Bett ab und zog sich zur Tür zurück. Die kleine Hündin stand zwischen uns und knurrte mit aller Bedrohlichkeit, die sie aufbringen konnte.
»Schon gut, schon gut«, meinte der Rote und zog die Brauen hoch. »Ich weiß, wann ich nicht erwünscht bin. Ich schicke dir Hilfe, Jenny. Versuch, dich ein wenig auszuruhen. Es war eine lange Nacht.« Ich blickte zu ihm auf und dachte, dass er ebenfalls müde aussah. Es war leicht zu glauben, er sei unermüdlich, da er kaum zu ruhen schien und man es ihm selten ansah. Aber an diesem Morgen war er bleich, und unter diesen Augen lag ein Schatten, der mir draußen in der Sonne nicht aufgefallen war. Ich zeigte auf ihn, legte die Hände zusammen, bettete den Kopf darauf und schloss kurz die Augen. Auch du musst schlafen.
»Ich habe viel zu tun«, sagte er und schien verblüfft über meinen Vorschlag. »Und das eine oder andere mit meiner Mutter zu regeln. Aber«, und an dieser Stelle musste er gewaltig gähnen, »vielleicht hast du Recht. Schlaf gut, Jenny.« Er ging hinaus, und Alys kläffte noch ein- oder zweimal hinter ihm her.
Kurz danach kam Megan mit warmem Wasser und einem sauberen Nachthemd, und während ich mich wusch und umzog, holte sie Glühwein und gutes Weizenbrot mit Rosinen darin. Sie sah mir zu, bis ich gegessen und getrunken hatte, und brachte Alys hinaus in den Garten und wieder zurück. Sie erzählte mir, Mistress Margery und dem kleinen Johnny ginge es gut, und ich hätte beiden das Leben gerettet. Dann deckte sie mich zu und ließ mich allein, und ich schlief bis zum Abend. Falls ich irgendwelche Träume hatte, hatte ich sie vor dem Aufwachen schon vergessen.
Bis zum Fest von Imbolc, das Christen Lichtmess nannten, hatte ich das vierte Hemd fertig. Ich bewahrte sie in der Holztruhe in meinem Zimmer auf, mit getrockneten Kräutern dazwischen. Liam, Diarmid, Cormack, Conor. Nun hatte ich keine Mieren mehr übrig. Der scharfäugigen Lady Anne war aufgefallen, dass ich keine eigene Arbeit mehr hatte, und sie brachte mir ein langweiliges Stück Näharbeit, um mich zu beschäftigen. Ich arbeitete langsam, denn meine Hände hatten nicht die Beherrschung für solche Tätigkeiten, falls sie sie je gehabt hatten. Wunden zu nähen oder ein Kind in die Welt zu holen, war eine Sache. Eine Nadel, die so winzig war, dass man sie kaum sehen konnte, zu benutzen, um die winzigsten Stiche zu machen, war etwas ganz anderes. Lady Anne sah mit hochgezogenen Brauen zu, als ich immer ungeduldiger wurde. Als wir am Ende des Tages fertig waren, nahm sie mich beiseite. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir gegenüber seit der Geburt von Margerys Kind noch mehr abgekühlt war. Das war seltsam. Etwas beunruhigte sie, das sah ich an der Art, wie sie mich unter geschlossenen Lidern her beobachtete. Und dennoch, ich hatte nichts getan, um sie zu beleidigen. Ich dachte beinahe, dass sie auf irgendeine Weise Angst vor mir hatte. Ich wusste nicht, warum.
»Das Säumen fällt dir schwer«, stellte sie fest. »Aber das ist eine Arbeit, die ich selbst einer Achtjährigen überlassen würde. Deine Erziehung in häuslichen Angelegenheiten hat offenbar Grenzen. Es scheint, du bist nicht einmal zu so einfachen Dingen imstande. Und dennoch, wenn du so lange unter unserem Dach bleiben willst, musst du dich nützlich machen, Jenny. Vielleicht sollte ich etwas Einfacheres für dich finden.«
Es war eine Gelegenheit. Es war immer noch eine Sternmierenpflanze in meinem Korb, die ich für einen solchen Zweck aufgehoben hatten. Ich schluckte meinen Ärger herunter und zeigte ihr, was ich wollte. Nein, nicht eure Arbeit. Das da. Ich muss diese Arbeit tun. Aber ich brauche mehr von diesen Pflanzen. Ich – gehe – ernte diese Pflanze. Schneiden – sammeln.
Lady Anne kniff die Lippen zusammen. »Ich kann dir nicht helfen. In meinem Haushalt ist kein Platz für solche – solche Abweichungen. Ich habe deinen selbstauferlegten Wahnsinn toleriert, weil man mir keine Wahl ließ. Aber ich werde dir nicht auch noch dabei helfen. Genug ist genug. Wenn du hier akzeptiert werden willst, musst du dich anstrengen, mehr wie wir zu sein, Jenny. Wenn du dazu fähig bist.«
Es
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