Die Tochter der Wälder
zweifellos. Frag ein paar von den Dorfmädchen, die werden dir etwas erzählen können. Er wird dich schon noch nehmen. Besonders wenn du jetzt mehr Fleisch auf den Knochen hast. Köstliches Fleisch, wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, das zu sagen. O ja, und ich nehme sie mir.« Er lachte, und die Bäume schienen bei dem Geräusch zu schaudern. Alys drückte ihren Kopf an meine Brust. Meine Arme schmerzten von dem Gewicht.
»Ein langer Weg, nicht wahr?« stellte Lord Richard fest. »Solch ein langer Weg für kleine Füße. Warum setzen wir uns nicht eine Weile hin? Lernen einander ein wenig kennen? Du möchtest mich doch gern ein wenig besser kennen lernen, oder?«
Seine Stimme war wie Honig, wie Sirup mit einer großzügigen Portion Nachtschatten darin. Ich hätte ihn am liebsten getreten, wo es am wehsten tat. Wäre Alys nicht gewesen, dann hätte ich es getan, und ihm ins Gesicht gespuckt. Aber so richtete ich mich nur gerade auf, hielt den Kopf hoch und versuchte, den Hund besser zu halten. Ich bin die Tochter des Waldes. Für ein so kleines Geschöpf war Alys sehr schwer.
Richard ging einen Schritt hinter mir, und nun veränderte er seinen Tonfall leicht. Wir kamen zu dem Pfad unter den Weiden. Die Sonne hatte ihren Höchststand überschritten, und das Licht auf den nackten Zweigen war golden.
»Ich nehme doch an, dass dies der einzige Grund ist, wieso er dich hergebracht hat«, meinte er wie zu sich selbst. »Ich kann mir keinen anderen vorstellen. Du etwa?« Er rieb seine manikürten Hände. »Du findest es vielleicht seltsam, dass ich nicht mehr schockiert bin. Denn er soll schließlich meine eigene Tochter heiraten. Aber ein Mann muss sich die Hörner abstoßen, selbst ein verschlossener Idealist wie Hugh muss ein wenig Spaß haben. Das gibt ihm einen gewissen Vorteil, wenn er dann endlich heiratet. Wie sonst könnte er seine neue Frau in den zarten, köstlichen Künsten des Ehebettes üben? Nein, ich denke, unser Hugh wird bis zum Sommer viele Erfahrungen gesammelt haben. Dafür kann ich dir, meine Liebe, danken, ebenso wie anderen. Elaine ist wirklich reif dafür. Wie gut, dass du nicht reden kannst, mein Püppchen. Das macht diese ganze Geschichte so viel … reizvoller. Findest du nicht auch?«
Wie konnte er so von seiner eigenen Tochter sprechen? Hatte der Mann denn kein Schamgefühl? Meine Ohren brannten, und ich wünschte, ich könnte den Hund absetzen und loslaufen. Ich biss die Zähne zusammen. Wenn meine Brüder hier wären, würdest du dafür zahlen müssen. Sie würden dir zeigen, was es bedeutet, ein echter Mann zu sein. Oh, wie ich mich danach sehnte, dass sie hier wären.
»Jetzt frage ich mich«, fuhr er fort, »welchen anderen Grund er noch haben könnte, dich so lange in seinem Haushalt zu behalten. Denn es tut ihm nicht gut. Die Leute reden. Auch mächtige Leute. Seine Mutter hasst es. Ich hasse es. Wenn du hier lange genug bleibst, wirst du ihm ernsthaft schaden. Weißt du, was sie sagen? Willst du es hören?«
Ich wünschte, ich könnte es nicht hören. Ich wünschte mir, ebenso taub wie stumm zu sein.
»Sie sagen, du hast ihn verzaubert«, meinte er kichernd. »Dass du eine Hexe bist und dass du dein Netz über ihn geworfen und ihn gegen seinen Willen in Bann geschlagen hast. Selbst seine besten Freunde sagen das. Dass er irgendwie an dich gebunden ist und dir nichts verweigern kann. Und du bist eine Frau aus Erin – eine Verwandte jener, die seinen eigenen Bruder getötet haben. Was hältst du davon, Jenny? Aber selbstverständlich heißt du nicht wirklich Jenny. Ich frage mich, wer dir einen solch unpassenden Namen gegeben hat. Nein, du bist eigentlich eine Maeve oder Colleen oder vielleicht Deirdre. Ein wilder, irischer Name. Jenny ist kein Name für eine kleine Zauberin aus dem Westen. Du kannst deine Netze jederzeit über mich werfen, junge Maeve. Es gibt ein paar Sachen, die ich dir beibringen könnte. Ich könnte dir helfen. Jemand, an den du dich wenden kannst, wenn es jemals … unangenehm wird.« Dann nahm er mich bei den Armen und brachte sein Gesicht dicht an meines, so dass ich gezwungen war, ihn anzusehen. Er hatte dieselben Augen wie seine Schwester. Seine Zungenspitze schoss hervor und fuhr über die Lippen, und ich las die Begierde in seinem Gesicht.
Ich krampfte unwillkürlich die Hände zusammen, und Alys kläffte. Dann trat ich fest mit dem Absatz meines Winterstiefels auf Lord Richards Fuß, und er ließ mich fluchend los. Ich konnte nicht laufen,
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