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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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ihre Gedanken wie ein Leuchtfeuer aus den Augen. Bewundernswert, aber gefährlich. Es war schlimm genug, dass unser großer Bruder hier mit verkniffenen Lippen dasaß und den höflichen Fragen der Dame nur stirnrunzelnd begegnete.«
    »Sie ist zornig, so freundlich sie sich auch gibt«, sagte Liam. »Sie hat mich an diesem Nachmittag aufgehalten, bevor ich mit Vater sprechen konnte. Aber nicht, bevor er begriffen hat, worauf ich hinauswollte; nicht, bevor ein kleiner Keim des Zweifels gepflanzt wurde. Sie muss bald handeln; ich habe das in ihren Augen gesehen.«
    »Ich auch«, sagte Conor. »Also bleib heute Nacht außer Sichtweite. Wenn die Sonne über dem See aufgeht, treffen wir uns am Ufer, wo der Baum unserer Mutter wächst. Ich glaube, dass wir eine Macht herbeirufen können, der selbst Lady Oonagh weichen muss.«
    Cormack ließ mir seinen Hund zur Gesellschaft und machte sich auf, anderswo zu schlafen, und es war Conor selbst, der in dieser Nacht mit einer Waffe an der Seite die Tür bewachte. Ich schlief immer nur kurz, schreckte häufig wieder auf, wie in den langen dunklen Nächten bei Vater Brien, und jedes Mal stand mein Bruder dort, mit seinem Blick auf eine weit entfernte Vision, und rezitierte leise etwas in einer unbekannten Sprache. Vielleicht war das Licht trügerisch, vielleicht auch nicht, aber ich hatte das Gefühl, als stünde er da mit einem Fuß ein wenig vom Boden erhoben und dem Arm hinter den Rücken gebogen; und als hätte er eines seiner Augen offen und das andere geschlossen. Er war reglos wie ein Stein. Die einzelne Kerze warf Schatten auf die Wand, und einen Augenblick lang sah ich einen Vogel mit weißen Flügeln durchs Zimmer gleiten, und dann einen großen Baum. Dann schlief ich wieder ein.
    Am nächsten Morgen lag schwerer Tau überall, und der Nebel umhüllte das Seeufer. Wir machten uns schon vor der Dämmerung auf. Ich umklammerte das kleine Bündel, das ich mitgebracht hatte. Ich hatte nicht viele Schätze. Schweigend gingen wir über die Waldpfade. Conor trug Weiß, und ich folgte ihm wie ein kleiner, vertrauensvoller Schatten. Hinter mir trabte Linn daher. Sie spürte, dass es notwendig war, ruhig zu bleiben, und widerstand dem Drang, jedem Rascheln im Gras hinterherzujagen.
    Wir waren die Ersten, die unser Ziel erreichten. Und dennoch, andere waren vor uns da gewesen, denn auf der Wiese neben der jungen Birke, wo wir uns so oft versammelt hatten, waren Gegenstände niedergelegt und warteten auf uns. Der erste Hauch des Dämmerungslichts zeigte im Osten weiße und gelbe Gänseblümchen im Gras, und auf ihnen lag ein Messer mit einem Knochengriff. An der Westseite, wo sich das Ufer zum See hinabsenkte, ruhte ein flaches Steingutgefäß am Baum, und wie der Becher von Isha war es randvoll mit klarem Wasser. Südlich und nördlich ein schlanker Birkenholzstab und ein moosiger Stein tief aus dem Wald. Das waren die Gegenstände, die wir für unsere Zeremonie brauchten. Wer sie hierhergelegt hatte, wusste ich nicht, und ich wollte Conor auch nicht fragen, denn ich hatte das Bedürfnis zu schweigen; ich spürte, wie unendlich geheim und wichtig dieser Augenblick war.
    Langsam kamen die anderen. Cormack, eine hochgewachsene Gestalt im Nebel. Dicht hinter ihm Padraic mit einem kleinen Bündel wie dem meinen. Conor stand dicht am Baum und wartete. Einer nach dem anderen stellten wir uns schweigend neben ihn. Nun war Finbar plötzlich da, obwohl ich ihn weder gesehen noch gehört hatte. Sein drängendes Flüstern brach die Stille.
    »Sorcha. Sieh dir das an. Sag mir, was das ist.« Ein kleines Fläschchen mit einem Glasstopfen. Ein eleganter kleiner Behälter, geeignet für das Parfüm einer Dame. Ich zog den Stöpsel heraus, schnupperte und schüttete dann eine kleine Menge schwarzen Pulvers in meine Hand. Es war inzwischen hell genug, um im Licht den Schluss, den meine Nase gezogen hatte, mit den Augen zu bestätigen. Dies hier war eines der tödlichsten Gifte. Finbar las die Antwort in meinen Augen.
    »Es ist Eisenhut«, flüsterte ich zurück. »Wo hast du es gefunden?«
    »In ihrem Zimmer. Es beweist zumindest, dass sie Eilis wirklich vergiftet hat.«
    »Still«, sagte Conor. »Wartet auf die anderen. Es ist noch nicht Morgengrauen.«
    Also standen wir dort, und ich versuchte, die turbulenten Gedanken, die in meinem Geist tobten, zu verbannen und mich auf unser Ziel zu konzentrieren. Der Wald war still; es war noch nicht die Zeit für die Baumbewohner, mit ihren Morgengesängen zu

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