Die Tochter der Wälder
meinen Füßen. »Sylphen des Waldes«, flüsterte ich. »Geister von Eiche, Buche und Esche, Dryaden von Eberesche und Haselstrauch, hört uns. Ihr, die ihr jeden unserer Schritte gelenkt habt, deren Wipfel uns schützten, wir ehren euch. Herrin des Waldes, Herrin des blauen Mantels, hör mich an. Komm zu uns in der Zeit der Not, komm zu uns in der Zeit der Dunkelheit.«
Ich senkte das Messer und drehte mich um, um den Kreis zu vollenden. Vogelgesang erfüllte die Lichtung, erfüllte die Luft. Rund um unsere Füße und über der Seeoberfläche begann der Nebel, sich in der aufgehenden Sonne aufzulösen. Wir standen schweigend, die Köpfe gesenkt. Der Kreis durfte nicht gebrochen werden. Wir warteten, während der Himmel von Grau zu Blau wurde und das Schimmern des Seewassers durch die sich verziehenden Nebelschwaden brach.
Und dann kam sie. Es war, als wäre sie schon die ganze Zeit bei uns gewesen, eine schlanke Gestalt im Kapuzenmantel, die ganz allein dort stand, wo das Wasser des Sees den Sand berührte; und hinter ihr ein flaches, dunkles Boot, das neben dem anderen an Land gezogen war. Sie hatte mich gehört, und sie war gekommen. Sie ging einen Schritt auf uns zu, einen weiteren. Der wirbelnde Nebel hing an ihren Röcken. Aber etwas stimmte nicht. Linn knurrte tief in der Kehle. Und dann kam plötzlich eine Warnung von Finbar, von Conor.
Lauf, Sorcha, lauf!
In den Wald. Jetzt. Lauf!
Ich sah die ersten beutegierigen Nebelfinger, die sich ausstreckten und um die Körper meiner Brüder wickelten, sie fest hielten und dann auch weiter zu mir zogen, die ich auf der anderen Seite des Baums stand, und dann erkannte ich ihre Augen, dunkel und rötlich braun unter gebogenen Brauen, und das rötliche Haar unter der Kapuze. Sie hob eine weiße Hand, um die Kapuze vom Kopf zu schieben, und Triumph stand auf den zarten Zügen von Lady Oonagh. Ich drehte mich um und flüchtete, und die Angst verlieh mir Flügel über Steine und Felsblöcke, ließ mich durch Schlamm und Kies rennen, hinauf, den Hügel hinauf, bis der Wald mich in seinen stillen Schatten verbarg. Vor mir rannte Linn, den Schwanz zwischen die Beine geklemmt.
Als ich so weit gekommen war, wie ich konnte, kletterte ich in eine riesige Eiche, die mich in ihren gewaltigen Ästen wiegte, während ich um Atem rang und versuchte, mein heftig klopfendes Herz zu beruhigen. Linn duckte sich im Unterholz und winselte leise. Ich brauchte das Seeufer nicht zu sehen, denn ich sah durch Finbars Augen, spürte mit meinem Bruder einen grausamen Augenblick nach dem anderen, den unvermeidlichen Fortgang der Geschichte.
***
Lauf, Sorcha, lauf! Unsere Schwester wendet sich und flüchtet über die Lichtung wie eine kleine weiße Eule, und eine unbekannte Macht schützt sie, bis sie die Sicherheit der Bäume erreicht hat. Aber wir, wir sechs, sind reglos, während sich nasskalte Nebelschwaden um uns wickeln wie ein lebendiges Geschöpf. Unsere Beine sind wie angewurzelt, unsere Arme wie gefesselt, unsere Zungen schweigen. Nur unser Geist kämpft noch.
Sie streift die Kapuze zurück, und das Morgenlicht tanzt auf ihren Locken. Sie wirft den Kopf zu einem triumphierenden Lachen zurück.
»Wenn ihr euch nur sehen könntet, kleine Brüder! So komisch, so albern!« Ihre Stimme wird finsterer. »Habt ihr etwa geglaubt, mich mit diesem kleinen Schauspiel, diesem lächerlichen Versuch zur Zauberei besiegen zu können? Ihr solltet euch schämen! Ihr hättet euch lieber an euer Kriegsspielzeug gehalten und nicht versucht, euch in Sachen einzumischen, die ihr nicht versteht. Nun, ihr werdet bekommen, was ihr verdient.«
Sie geht um den Kreis herum, in dem wir hilflos stehen. Vor jedem bleibt sie stehen und spricht.
»Liam, Beschützer und Anführer – ist das nicht die Rolle, die deine unglückliche Mutter für dich vorgesehen hat? Du hast das bis jetzt nicht sonderlich gut gemacht, Erstgeborener. Aber keine Sorge. Dein Vater kann mehr Söhne zeugen. Dieses Land wird dir niemals gehören. Selbstverständlich, Colum wird um dich trauern, das bezweifle ich nicht, aber nur eine Weile. Ich werde ihn trösten. Und er hat deine Warnung bereits vergessen.«
Sie geht weiter zu Diarmid, der immer noch an der Schulter seines Bruders lehnt und kaum imstande ist, ihre Worte zu verstehen. »Nun, mein Geliebter, mein sanfter Schatz. Glaubtest du, den Platz deines Vaters einnehmen zu können? Du bist nichts, nichts.« Sie betont die Beleidigung, indem sie ihm mit den Fingern vor der Nase
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