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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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bemerken, dass etwas nicht stimmte. Wenn einem ein Ort so vertraut ist, einem so sehr gehört, da hält man ihn einfach für selbstverständlich und betrachtet die Farben und Formen eigentlich nur noch als eine Ausdehnung seiner selbst. Also dauerte es einen Augenblick. Ich zog meinen Umhang aus und hängte ihn an den Haken. Ich drehte mich um, um meinen Korb auf den Tisch zu stellen. Dann sah ich es. Die Regale waren leer, die aufgehängten Kräuter, die Zwiebelzöpfe, die getrockneten Pflanzen weg. Jeder Krug, jeder Tiegel, jede Flasche, jedes Messer, jede Schale war verschwunden. Meine Gewürze, meine Salben, meine Tinkturen, meine Tücher, meine Becken und Bündel, all die Werkzeuge waren weg. Auf dem Fußboden war noch ein wenig getrockneter Lavendel zurückgeblieben, und die Tür nach draußen stand offen. Mit heftig klopfendem Herzen ging ich in den Garten.
    Am anderen Ende der Mauer brannte ein kleines Feuer, und der dampfende Rauch warf einen sanften Schleier über die Zerstörung vor mir. Auf beiden Seiten des Mittelpfades war jedes Beet umgegraben, jede Pflanze ausgerissen worden, und ein Wirrwarr aus zerbrochenen Stielen, bleichen Wurzeln und zerbrochenen Pflastersteinen bedeckte den ganzen Bereich. Ich stolperte betäubt vorwärts. Lavendel, Kamille, Rosmarin, Gänsefingerkraut und Wermut. Ich ging an ihren Überresten vorbei, und der süße Duft von ihren Wunden drang in einem letzten Abschied zu mir. Größere Äste waren auf den Boden geworfen oder zum Brennen aufgeschichtet. Mein Flieder war abgehackt. Immer noch schwieg ich und ging zitternd von einem Opfer zum Nächsten. Die frühen Knollen und Zwiebeln, deren geheimes Leben tief in ihrer schützenden Umhüllung lag; die Krokusse, die ich so sorgfältig gegen die Winterkälte eingepflanzt hatte – zerrissen, zerdrückt, entblößt auf der verwüsteten Erde. Die zarten Ranken von den Mauern gerissen und in tausend Stücke gefetzt; nie mehr würden die weißen Sternenblüten die Frühjahrssonne willkommen heißen. Ich ging weiter. Die kleine Eiche, kaum schulterhoch, die ich gehegt und gehätschelt hatte, seit ich acht Jahre alt war – ich hatte erwartet, sie Jahr um Jahr weiterwachsen zu sehen, um meinem Reich Schutz und Schatten zu geben. Sie war direkt über der Wurzel abgehackt und würde nie wieder knospen. Ich fiel auf die Knie, wühlte wild, in einer vergeblichen Anstrengung, irgendetwas zu retten, aber ich konnte nicht weinen. Dies ging über Tränen, über Gedanken hinaus. In meinem Herzen gab ich einen wortlosen, gequälten Schrei von mir.
    Ich hatte meine Brüder nicht laut gerufen, aber zwei von ihnen hörten mich. Finbar war der erste, der den Arm um mich legte, mir übers Haar streichelte und leise vor sich hin schimpfte. Einen Augenblick später war auch Conor da, der mit zorniger Miene den Pfad entlangstapfte, nach den Gärtnern brüllte und seine Wut an den beiden Männern ausließ, die mir nicht aufgefallen waren und die sich nun, Spaten und Rechen in der Hand, nahe dem Feuer unter dem erbosten Verhör meines Bruders duckten.
    Ich packte Finbar an der Jacke und strengte mich an, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Mein Kopf explodierte schier vor Zorn und Trauer und Schock.
    Weine, Sorcha. Lass dich fallen. Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden.
    Selbst meine Veilchen! Selbst meinen kleinen Eichenbaum! Sie hätten mir doch die Eiche lassen können!
    Du hast überlebt. Wir sind stark. Und diese Pflanzen können wieder wachsen.
    Wie können sie wachsen, mit so viel Bosheit in der Nähe? Wie kann hier noch irgendetwas wachsen? Meine Kräuter, meine Kräuter sind alle weg, all meine Sachen – wie kann ich ohne meine Sachen arbeiten?
    Weine, Sorcha, lass dich fallen. Wir sind alle hier für dich. Lass dich fallen, kleine Schwester, die Erde nimmt deinen Garten an ihr Herz. Sie weint mit dir.
    Er war stark, und schließlich brach ich in zorniges Schluchzen aus und durchtränkte sein Hemd, während er mich umarmte; und dann kam Conor.
    »Das geschah auf Befehl von Lady Oonagh«, sagte er mit angespannter Stimme. »Auf einen sehr detaillierten Befehl, bei dem sie nichts ausließ. Den Männern kann man keine Schuld geben, sie hatten keine andere Wahl; sie wissen jetzt, dass sie mich demnächst vorher fragen müssen. Aber für dich, kleine Eule, ist das zu spät. Es tut mir Leid. Ich weiß, was es für dich bedeutet, und für jene, um die du dich kümmerst.«
    »Nur weil – nur weil …«, schluchzte

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