Die Tochter der Wälder
beginnen. Es war ein Augenblick der Wahrheit, und wir mussten ihn nutzen. Aber wir waren noch nicht versammelt. Ohne die Sieben würden wir unser Ziel nicht erreichen können.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, aber es war wahrscheinlich nicht sonderlich lange, bis ein leichtes, rhythmisches Plätschern zu hören war und ein kleines Boot das Ufer erreichte. Liam ruderte; Diarmid saß zusammengesackt im Bug, in einen grauen Umhang gewickelt. Cormack ging zum Ufer hinab und half ihnen an Land; er und Liam mussten Diarmid helfen. Diarmid stank gewaltig nach starkem Bier, und er schwankte zwischen seinen Brüdern, nur halb bei Bewusstsein. Liam sah nicht viel besser aus. Es schien, als hätte er Becher um Becher mit seinem Gefangenen trinken müssen, um ihn zu betäuben.
»Nun sind wir versammelt, und es dauert nicht mehr lange bis zum Tagesanbruch«, sagte Conor.
Wieder spürte ich die Anwesenheit von Anderen, Weiseren, Stärkeren, Älteren, die sich um ihn legte wie ein Mantel. Statt eines dunkelhaarigen Jungen im weißen Gewand war es, als stünde ein uralter Weiser dort vor uns, und die Lichtung schien sich in gewisser Weise um ihn herum zu öffnen.
»Bald werden wir beginnen. Aber ich warne Euch alle. Wir stehen zusammen, wir sieben; sie, die versucht, die Bindung zwischen uns zu trennen, tut das auf eigene Gefahr. Dies ist ein großes Geheimnis und kann unser Ende herbeiführen. Aber in allen Dingen ziehen wir aus der Geisterwelt nur solche Hilfe und solche Kraft, wie ihre Bewohner uns willig geben. Darüber hinaus müssen wir uns auf unseren eignen Geist, unseren Mut und unsere Entschlossenheit verlassen. Nun beginnen wir unsere Zeremonie. Und wenn wir fertig sind, trennen wir uns eine Weile. Du, Sorcha, und du, Padraic – ihr müsst euch verstecken. Vater Brien wird euch Schutz gewähren und euch an einen sicheren Ort bringen. Wenn hier alles erledigt ist, holen wir euch zurück. Und ob das, was wir an diesem Morgen tun, Hilfe bringt oder nicht, der Rest von uns wird heute handeln. Wir haben den Beweis; unser Vater muss sich der Wahrheit stellen und seine Wahl treffen.«
Wir bildeten einen Kreis um den kleinen Baum, wie wir es so oft zuvor getan hatten, standen dicht nebeneinander, hätten einander berühren können. Aber es war nicht nötig, einander zu berühren. Das hier war unser Ritualort, der Ort unserer Einheit; die alten Eichen und Buchen hier hatten unsere Kinderreime gehört, unsere Geheimnisse, waren Zeugen unserer Gespräche mit dem Geist unserer Mutter geworden. Manchmal waren wir ernst und feierlich gewesen, manchmal hatten wir Witze gemacht und gelacht. Diese Bäume bewahrten in ihrem Herzen die Geschichte unseres Aufwachsens, und nun wurden sie Zeugen eines Geheimnisses, das größer war als alles in unserer Erfahrung.
Die ersten glitzernden Sonnenstrahlen beleuchteten den Rand des Himmels. Conor wandte sich nach Süden und hob den Birkenstab vor sich hoch.
»Geschöpfe des Feuers, hin- und herschießende Salamander«, sagte Conor, »Kinder der läuternden Flamme, standfest und entschlossen, wir grüßen euch!« Es schien, als bewegte sich etwas in der Luft, ein momentanes Aufflackern des Lichts; aber die Lichtung war immer noch von Nebel umhüllt.
Liam stand im Westen und schaute auf den See hinaus. Diarmid konnte seinen Platz im Kreis nicht länger halten, sondern sackte gegen Cormacks Schulter und blinzelte ins heller werdende Licht. Cormack hielt seinen Bruder fest. Liam hob die Schale, um das Tageslicht einzufangen.
»Geister des Wassers, stets euch verändernd, von tiefem Herzen, wissende Bewahrer der Geheimnisse, wir grüßen Euch«, sagte er und senkte die Schale wieder.
Finbar stand nach Norden, wo die Felsen eine Art gigantischen Weg zwischen den großen Bäumen bildeten. Seine Hände hielten den moosüberzogenen Stein; das erwachende Licht zeigte, dass die Oberfläche des Steins mit winzigen Symbolen überzogen war.
»Erdbewohner, Hüter der Geheimnisse, Wahrheitsverkünder, Weise und Würdige, wir ehren eure Gegenwart«, sagte er. Er drehte sich wieder in den Kreis und legte den Stein vorsichtig aufs Gras.
»Jetzt, Sorcha«, sagte Conor leise. Ich blickte auf zu den mächtigen Bäumen, die sich vor mir nach Osten erstreckten. Über uns begann eine Lärche zu singen, und Padraic, der direkt neben mir stand, grinste aus reiner Freude über den Gesang. Der immer heller werdende Himmel zeigte, dass es bald Tag sein würde.
Das Messer lag in meinen Händen, die Blumen zu
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