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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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meinen nackten Füßen immer noch gut an, und die Nachmittagssonne immer noch wohl wollend. Aber alles war verändert. Damals hatte ich Johns letzte Worte nicht verstanden, hatte sie als die wirren Gedanken eines Mannes aufgefasst, der unter schrecklichen Schmerzen starb. Was hatte er gesagt? Der Rote, die richtige Wahl. Sag ja. Etwas in dieser Richtung, wenn man es richtig zusammensetzte. Und ich hatte genickt, weil ich einfach hoffte, ihn damit zu trösten, es ihm zu erleichtern. Ich konnte kein Versprechen brechen, das ich einem Sterbenden gegeben hatte. Besonders, da sein Tod meine Schuld war.
    Ich ging wieder über den Strand, während die Schatten länger wurden und das Meer sich dunkel färbte. Unten am Wasser war die Meerjungfrau beinahe verschwunden. Es waren nur noch ein Rest des dunklen, wirren Haares und eine zarte, ausgestreckte Hand übrig. Ich saß dort und sah zu, wie das Meer sie zurückholte, tief an seine geheimen Orte. Ich versuchte nachzudenken, suchte nach Antworten. Aber diesmal kam mir keine weise innere Stimme zu Hilfe. Es gab nur kalte Tatsachen. Meine Brüder kehrten zurück. Es war noch ein Hemd fertig zu stellen, und ein weiteres nicht einmal angefangen. Jemand hatte meine Arbeit verbrannt, jemand hatte meinen Freund getötet. Der Rote ging weg. Und ich hatte John ein Versprechen gegeben. Es gab nur einen möglichen Schluss. Ich musste mich darauf verlassen, dass Hugh von Harrowfield eine weitere seiner vernünftigen, kalkulierten Entscheidungen gefällt hatte. Dass er, wie sie sagten, kein Mann war, der eine falsche Entscheidung traf. Ich musste ja sagen, obwohl mein Herz kalt wurde, wenn ich daran dachte.
    Dennoch, als wir zusammen ein wenig später auf den Felsen standen und ein letztes Mal die Seegeschöpfe beobachteten, wie sie langsam zum Strand hinunterrutschten, direkt ins Wasser glitten, wo sie sich sofort in anmutige Schwimmer verwandelten, blieb noch eine weitere Frage. Eine, die er sehr gut kannte.
    Du – versprochen – ich – nach Hause? Ich über das Wasser nach Hause?
    »Ich werde mein Versprechen nicht brechen, Jenny«, sagte er. »Wenn die Zeit gekommen ist, wenn du bereit bist zu gehen, werde ich dich sicher nach Hause bringen. Wenn die Zeit gekommen ist, kannst du mich fragen, und …« Er beendete diesen Satz nicht. Aber es genügte.
    Es wurde dunkel. Mir wurde klar, dass wir an diesem Abend nicht nach Harrowfield zurückkehren würden. Er drängte mich nicht nach einer Antwort; er stand einfach nur da, sah den Seehunden zu und wartete. Er hatte schon viel gewartet. Das Buch lag offen auf den Felsen hinter ihm, und die aufkommende Brise wendete seine Blätter langsam bis zum Letzten, auf das er an diesem Morgen seine letzten Worte geschrieben hatte; an diesem Morgen, der nun schon so lange vorbei zu sein schien. Aber es waren keine Worte auf dieser Seite, nur Bilder, kleine zarte Bilder, mit vorsichtigen Federstrichen ausgeführt. Ich hatte ihn zuvor schon arbeiten gesehen und darüber gestaunt, wie er imstande war, zu schreiben und nicht auf die Wunder zu achten, die ihn umgaben. Aber es schien, als hätte er nicht hinsehen müssen, um die Schönheit dieses Ortes zu kennen. Denn diese Seite zeigte den offenen Himmel und die glatten, schimmernden Oberflächen der feuchten Steine und das Spitzenmuster der Wellen. Es zeigte die großen Seehunde mit ihren wissenden Augen und die Möwen vor den kleinen, dahinhuschenden Wolken. Und am Fuß der Seite, sehr klein, befand sich die letzte Zeichnung im Buch. Eine junge Frau, die rannte, ihr Haar, das wie eine dunkle, wilde Wolke hinter ihr her wehte, ihr Gewand vom Wind an ihren Körper gedrückt, ihr Gesicht schimmernd vor Freude. Der Rote streckte die Hand aus, klappte das Buch zu und steckte es in seine Tasche. Ich dachte, nach all dieser Zeit kenne ich ihn immer noch nicht. Ich kenne ihn überhaupt nicht.
    Von oben war ein Geräusch zu hören, von hinter der Klippe. Der Ruf eines Vogels, wie ich ihn schon zuvor einmal gehört hatte. Der Rote legte die Hände an den Mund und antwortete dem Vogelruf.
    »Zeit zu gehen«, sagte er; aber er regte sich nicht. Ich holte tief Luft. Niemals hatte ich mir so sehr gewünscht, nicht antworten zu müssen. Meine Hände machten sich an die Arbeit. Ich zeigte auf mich; zeigte auf die linke Hand, den Ringfinger. Nickte kurz. Fügte ein Achselzucken und ein Stirnrunzeln hinzu. Ich beobachtete ihn, um mich zu überzeugen, dass er verstanden hatte. Es gab ein kurzes Aufflackern, tief in

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