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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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der solche Macht erreichen kann, lässt nicht zu, dass etwas in seinem Weg steht.«
    Ist es Hugh von Harrowfield, von dem wir hier sprechen? Ich konnte nicht verhindern, dass sich meine Brauen im höhnischen Unglauben hoben.
    »Hugh ist formbar. Ihn interessieren nur seine Bäume, sein Vieh und sein ordentliches, kleines Leben. Elaine ist wie ich. Sie hat ihren eigenen Willen. Das Problem war, was sie wollte, passte nicht zu meinen Plänen, überhaupt nicht. Alles war glatt wie Seide, bis sie begann erwachsen zu werden, dreizehn, vierzehn, daran gewöhnt, zu bekommen, was sie wollte, und bis dahin hatte auch keine Notwendigkeit bestanden, nein zu sagen. Ein neues Pony, ein Jagdhund, Edelsteine, schöne Kleider. Aber dann hat sie die Regel gebrochen. Hat sich in den falschen Bruder verliebt.«
    Elaine und Simon? Das war eine Möglichkeit, an die ich nie gedacht hatte. Aber es erklärte viel. Es erklärte besonders ihr Verhalten gegenüber dem Roten, denn nun sah ich, dass sie ihn tatsächlich wie einen Bruder behandelt hatte. Arme Elaine. Einer von ihnen war tot, und der andere hatte mich geheiratet. Sie hatte nicht verdient, sie beide zu verlieren.
    »Und nachdem sie erst einmal ihr Herz an ihn gehängt hatte, ließ sie sich zu nichts anderem mehr überreden«, fuhr Richard fort. »Am Ende musste ich es ihr sagen. Das geht nicht. Nein. So einfach ist das. Es hat ihr nicht gefallen. Aber ich bin ihr Vater. Hugh ist weich, er hat nicht diesen Mörderinstinkt, dieses bisschen Bosheit, das ein Mann braucht, der überleben und weiterkommen will. Er führt einen hübschen Bauernhof, das muss man ihm lassen. Aber er ist schwach. Du verstehst das besser als die meisten, Schlampe. Du hast ihn leicht genug dazu gebracht, zu tun, was du willst, nicht wahr? Wenn er dem nicht widerstehen konnte, wie glaubst du wohl, wie er mit mir, Richard von Northwoods, zurechtkommt? Also heiratet er meine Tochter, und das ganze Tal gehört mir. Hätte sie den jüngeren Bruder genommen – das wäre eine andere Sache gewesen. Hoffnungslos. Erstens hätte er nicht geerbt, es sei denn … und außerdem war er zu wild. Unberechenbar. Beinahe unzuverlässig, könnte man sagen. Überhaupt keine sichere Option. Nein, so ist es besser. Oder es war es zumindest, bevor du ins Bild kamst …«
    Plötzlich beugte er sich vor, und der Hocker krachte schwer auf den Steinboden.
    »Weißt du, ich dachte, Hugh hätte dich wegen Informationen hergebracht – so sah es aus. Du wusstest etwas, was er erfahren wollte. Er wartete darauf, dass du redetest. Ein Katz- und-Maus-Spiel. Das konnte ich verstehen. Aber mein Neffe hatte bisher nie das geringste Interesse an solchen Strategien gezeigt. Nie einen Finger krumm gemacht, um mir bei meinen Feldzügen zu helfen, nie den kleinsten Beitrag für die Sache geleistet. Es war ihm gleichgültig. Weshalb sollte er jetzt also plötzlich damit anfangen, fragte ich mich. Es musste mit seinem Bruder zu tun haben. Dem jungen Simon. Irgendwie hattest du damit zu tun. Du wusstest etwas, was du ihm hättest sagen können. Damals kam es mir so vor, als könntest du reden, wenn du nur wolltest. Kein Problem damit, dachte ich – es gab Zeiten, wenn du so aussahst, als wolltest du jeden Augenblick deinen kleinen Mund öffnen, aber dann hast du die Worte heruntergeschluckt.«
    Ich wand den Faden in die Spindel, spürte die Fasern stechend an meinen Fingern und wusste, dass meine Hände wieder begannen, wund zu werden und zu stinken, vom Mangel an Licht, vom Dreck, von der Vernachlässigung.
    »Aber dann kam es zu diesem unseligen Unfall. So etwas geschieht nun einmal. Es gibt Erdrutsche, und Leute werden verletzt. Natürliche Ursachen. Sie sagten mir, du hättest keinen Ton von dir gegeben, nicht um Hilfe gerufen, nicht geschrien, nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du nicht geschrien hättest. Kein Mädchen kann sich so beherrschen. Kam also zu dem Schluss, dass die Stummheit echt ist. Du kannst wirklich nicht reden. Schweigst wie ein Grab. Das macht die derzeitige Situation irgendwie reizvoller. Es bedeutet, dass ich sagen kann, was ich will, alle Geheimnisse meiner Seele offen legen, und du kannst ihnen kein bisschen weitererzählen, nichts. Es wird natürlich eine Schande sein, dich nicht schreien zu hören, wenn das Feuer an deinen Füßen leckt und dein Kleid anfängt zu brennen und deine weiche weiße Haut zu einem Stück verkohlten Bratens wird. Nun, man kann nicht alles haben.«
    Als er weg war, gestattete ich

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