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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Laken zurück. Alle sahen darunter ein weiteres Tuch in blendendem Weiß, das Bonas Mutter einst nach alter Tradition eigenhändig für die Brautnacht ihrer Tochter gewebt und gebleicht hatte. Es war noch nie benützt worden und würde auch nie mehr verwendet werden, sondern einen Ehrenplatz in der Truhe einnehmen.
    Marie trat neben Trudi, um zu verhindern, dass sie Dummheiten beging, und bedeutete Bona, sich hinzulegen. Diese tat es nur zögerlich und blickte Marie verstört an.
    »Wie wir alle gesehen haben, kann der Bräutigam zufrieden sein. Hoffen wir, dass Bona dies auch mit ihm ist!« Maries Worte riefen Kichern hervor.
    Elgard von Rendisheim schnaubte empört. »Herr Moritz ist einMann in den besten Jahren und weiß sehr wohl einem Weib Vergnügen zu bereiten!«
    »Ihr habt es wohl schon mit ihm getrieben?«, stichelte eine Frau. Frau Elgards Erröten verriet, dass Mertelsbach sich während seiner Witwerzeit auch mit ihr getröstet hatte.
    »Gib deiner Freundin einen Kuss und dann raus mit dir! Hier hat so ein Jüngferlein wie du nichts mehr verloren.« Maries Worte erschreckten Trudi und Bona gleichermaßen, denn es schien keine Möglichkeit zu geben, die Hühnerblase im Bett zu verstecken.
    Trudi trat auf Bona zu und beugte sich über sie. Sie bekam den stoßweisen Atem ihrer Freundin ins Gesicht und las in deren Augen schiere Panik. Während sie Bona auf die Wange küsste, zog sie die Hühnerblase aus ihrem Ärmel und steckte sie unter das Laken. Jetzt konnte sie nur noch beten, dass niemand auf den Gedanken kam, das Tuch noch einmal anzuheben, ehe Bona die Blase an sich nehmen konnte. Was passierte, wenn die Herren zu früh mit dem Bräutigam erschienen und einer von denen das Ding entdeckte, mochte Trudi sich gar nicht vorstellen.
    »Ich wünsche dir Glück! Möge dein Gemahl stark genug sein, dich bereits in dieser Nacht zu schwängern«, sagte Trudi, als sie sich erhob.
    »Hört euch dieses Küken an! Das glaubt wohl noch, der Bauch würde gleich wachsen, wenn ein Mann seinen Riemen an der richtigen Stelle wetzt«, spottete eine Nachbarin.
    Marie versetzte ihrer Tochter einen leichten Backenstreich. »Hinaus mit dir.«
    Erleichtert schlüpfte Trudi aus dem Zimmer. Marie, der trotz aller Aufmerksamkeit entgangen war, dass ihre Tochter Bona die Hühnerblase zugesteckt hatte, folgte ihr auf dem Fuß.
    Die ersten Herren standen bereits vor der Tür, doch im Augenblick achtete niemand auf das Brautgemach, denn alle Blicke richteten sich nach unten auf den Treppenabsatz, auf dem sichMichel und Otto von Henneberg erregt gegenüberstanden. Der junge Graf war betrunken und hatte alle Hemmungen verloren. Schwankend versuchte er, Michel zu packen, doch dieser wehrte ihn mit Leichtigkeit ab.
    »Das hier hat Eure Tochter nicht umsonst getan, Bierritter! Dafür wird sie bezahlen und Ihr mit ihr!« Obwohl Otto von Henneberg stark nuschelte, vernahm jeder der Anwesenden seine Drohung.
    Michel sah auf den jungen Mann hinab wie auf einen geifernden Hund. »Wenn meiner Tochter auch nur ein Haar gekrümmt wird, werde ich Euch fangen und aufhängen lassen wie einen gemeinen Dieb. Und nun gebt den Weg frei!« Er versetzte dem Jüngeren einen Stoß und wandte sich verächtlich ab.
    Otto von Henneberg wurde von einigen Gästen aufgefangen und auf die Beine gestellt. Dabei vernahm er einige verletzende Bemerkungen, die sowohl seiner Tat wie auch seinem jetzigen Zustand galten. Außer sich vor Wut, riss er seinen Dolch aus der Scheide und wollte auf Michel losgehen.
    Eichenloh schlug ihm die Waffe aus der Hand. Der Dolch fiel auf die Treppe, kollerte die Stufen hinab und blieb vor den Füßen eines verspäteten Gastes liegen. Während sich die anderen nur für die Streithähne interessierten, bückte der Mann sich und hob die mit einem edelsteinbesetzten Knauf geschmückte Waffe auf.
    Bei dem Besucher handelte es sich um Gressingen, der bis zuletzt mit sich gerungen hatte, ob er nach Fuchsheim reiten sollte oder nicht. Er hatte von Graf Ottos Fehlschlag erst in Gerolzhofen erfahren und war vor Angst fast gestorben, der Henneberger würde ihn der Anstiftung für diese Tat bezichtigen. In dem Fall würde er den Auftrag des Fürstbischofs nicht ausführen können und hätte alles verloren. Zudem konnte Graf Ottos Zorn sich ebenso gut gegen ihn statt gegen Trudi wenden, und der Gedanke an Michel Adler ließ ihn ebenfalls schaudern. Wenn der Kibitzsteinererfuhr, wer hinter diesem heimtückischen Überfall auf seine Tochter und ihre

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