Die Tochter der Wanderhure
keine Jungfrau mehr, und niemand mehr konnte ihn für den Verlust ihres Kränzchens verantwortlich machen. Aber ein Blick in Michels Gesicht vertriebdie Hoffnung, die kurz in ihm aufgekeimt war. Der Mann würde sich mit nichts anderem als seiner offiziellen Zustimmung zu einer Heirat mit seiner Tochter zufriedengeben.
Für einige Augenblicke fragte Gressingen sich, ob er unter diesen Umständen seine Pläne ändern sollte. Immerhin konnte er über Trudi an ein hübsches Lehen in Albrecht Achilles’ Machtbereich kommen und zusätzlich über die üppige Mitgift seiner Frau verfügen. Aber wenn er diesen Schritt tat, würde der Fürstbischof von Würzburg ihn unnachsichtig verfolgen lassen.
Bei dieser Vorstellung geriet er in Panik. Er hatte sich Pratzendorfer und dem Würzburger Bischof auf Gedeih und Verderben ausgeliefert und einen heiligen Eid geleistet. Unter anderen Umständen hätte der Prälat eine erzwungene Verlobung und vielleicht auch eine Ehe mit Trudi Adlerin für null und nichtig erklären lassen können. Aber das Interesse des Markgrafen an dem Mädchen ließ diesen Ausweg nicht mehr zu. Stieß er Trudi zurück, beleidigte er Albrecht Achilles und machte ihn zu einem ähnlich hartnäckigen Feind.
»Ich … ich … werde«, stotterte er und verschränkte die Arme vor die Brust. Dabei presste er Otto von Hennebergs Dolch gegen seine Rippen.
Mit einem Mal fühlte er eine Anspannung, die sein Blut rascher durch die Adern trieb, und er warf einen forschenden Blick in die Runde. Außer ihm und Michel Adler war niemand in Sichtweite.
Er atmete kurz durch und blickte zu Boden, als sei er beschämt.
»Verzeiht mir bitte die Entjungferung Eurer Tochter, doch die Leidenschaft für sie hat mich hinweggerissen. Selbstverständlich werde ich sie heiraten. Ich habe nur nicht gewagt, als mittelloser Ritter vor Euch zu treten und um ihre Hand zu bitten. Dies tue ich hiermit und bitte Euch, mich als Euren Eidam in Eure Arme zu schließen.«
Michel war erleichtert, dass Gressingen nachgab. Auch wenn dieserMann nicht der Schwiegersohn war, den er sich gewünscht hatte, so bekam Trudi doch den ersehnten Gatten. Er würde nur darauf achten müssen, dass Gressingen sie gut behandelte. Daher öffnete er die Arme und umarmte den Junker.
Gressingen zog unbemerkt den Dolch aus seinem Wams, ehe er ebenfalls die Arme um sein Gegenüber legte. Einen Augenblick zögerte er noch, dann stieß er Michel die Klinge mit aller Kraft in die Seite.
Michel öffnete den Mund zum Schrei, doch Gressingen presste ihm die Linke auf den Mund. »Stirb, du Bierritter!«, höhnte er und umklammerte sein Opfer, bis es erschlaffte. Dann stieß er Michel zu Boden und starrte schwer atmend auf ihn herab. Beim Anblick der gebrochenen Augen, die immer noch einen überraschten Ausdruck zeigten, lachte er höhnisch auf und wandte sich erleichtert ab.
Als Gressingen durch die Gartenpforte trat, sah er Cyprian Pratzendorfer vor sich und tastete nach seinem eigenen Dolch. Der Prälat hob die Hand. »Ich glaube, ein Mord reicht fürs Erste, mein Sohn. Wie es aussieht, hast du den Fürstbischof soeben von einem unangenehmen Nachbarn befreit. Dafür wird er dir gewiss Dank wissen. Trotzdem solltest du die Burg sofort verlassen und dich fürs Erste in Franken nirgends mehr sehen lassen. Sonst könnten einige Leute die richtigen Schlüsse ziehen und dir diesen Mord mit gleicher Münze heimzahlen wollen. Aber du wirst nicht ohne Ziel reisen müssen, denn ich kenne einen Herrn, der einen Mann mit einer ruhigen Dolchhand gut gebrauchen kann.«
»Ich bin kein Meuchelmörder!«, fuhr Gressingen auf.
Pratzendorfer stieß ein höhnisches Lachen aus. »Und was war das eben? Ein ehrlicher Zweikampf?«
Gressingen wollte seinen Dolch ziehen, doch der Prälat packte seine Hand und drückte so fest zu, dass dem Junker vor Schmerz die Tränen in die Augen traten.
»Ein Dolchstoß ist schnell geschehen, doch man muss wissen, wann man ihn wagen kann. Etliche Herren haben ihre Waffen zur falschen Zeit gezogen und wurden dafür in Stücke gehackt. Du aber dürftest wissen, wann es sich lohnt, etwas zu riskieren. Und lohnen würde es sich für dich in reichem Maße.«
»Hätte ich mehr zu erwarten, als der Fürstbischof mir zugestehen würde?«, fragte Gressingen unwillkürlich.
Pratzendorfer stellte zufrieden fest, dass der Junker angebissen hatte. »Der Rang eines Grafen mit einem Besitz, der diesem Stand entspricht, wäre dir sicher, mein Sohn.«
Gressingen sah den
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