Die Tochter der Wanderhure
Knechte und Mägde vom Grund des Damenstifts Hilgertshausen zu vertreiben, sondern überdies noch seine Leute angestachelt, den Weibern Gewalt anzutun. Er selbst hatte sogar versucht, Trudi Adler zu vergewaltigen. Das befremdete Eichenloh. Als Mitglied seines Trupps hatte Otto sich niemals so gebärdet. Es war, als sei nach ihrer Trennung ein böser Geist in seinen Freund gefahren.
Gerne hätte Junker Peter sich umgedreht und das Mädchen angesehen, das so beherzt gewesen war, ihrem Bedränger den Dolch abzunehmen und ihn damit sichtbar zu zeichnen. Natürlich war der Schnitt durchs Gesicht eine Dummheit gewesen. Ein Stich in den Oberschenkel oder die Schulter hätte ausgereicht, sich den Angreifer vom Hals zu halten. Dennoch fand er, dass Otto diese Strafe verdient hatte.
Während Trudi in Eichenlohs Achtung stieg, wanderten ihre Blicke rachsüchtig zwischen seinem Rücken und Graf Ottos schmäleren Schultern hin und her. Einer der beiden war der Mörder ihres Vaters und würde angesichts des gekreuzigtenHeilands einen Meineid schwören, davon war sie überzeugt. Daher flehte sie Gott und Herrn Jesus an, diese Blasphemie nicht zu dulden und den Schuldigen auf der Stelle mit einem Blitzschlag zu bestrafen. Doch als der Prälat die Stelle des Priesters einnahm und die beiden Ritter aufforderte, bei Gott, dem Heiland und dem Heiligen Geist zu schwören, dass sie keine Schuld am Tode Michel Adlers auf Kibitzstein trügen, blieb der Himmel ruhig. Dabei machte Pratzendorfer es den beiden nicht leicht, denn er schilderte die Strafen der Hölle, die der Meineidige erleiden würde.
Er nahm sich vor allem Peter von Eichenloh vor. »Bist du dir dessen bewusst, dass ein falscher Eid deine unsterbliche Seele um das Himmelreich bringen und auf ewig Luzifer ausliefern wird, dem falschen Engel, der von dem heiligen Erzengel Michael vom Himmel gestürzt und in die Tiefen der Hölle geworfen wurde?«
»Ja, dessen bin ich mir bewusst«, antwortete Eichenloh mit fester Stimme.
»Bist du dir dessen bewusst, dass tausend Höllenteufel deinen Leib jeden Tag mit eisernen Krallen zerfetzen, deine Eingeweide herausreißen und um deinen Hals schlingen werden, sofern du einen falschen Eid schwörst?«
»Da ich nicht falsch schwöre, wird dies nicht geschehen.« Junker Peter war Pratzendorfers Gerede allmählich leid. Der Prälat hätte besser Graf Otto ins Gebet nehmen sollen, denn der sah aus, als würde er bereits in der Hölle schmoren.
»Bist du, der du dich Peter von Eichenloh nennst, dir auch dessen bewusst, dass Luzifer selbst deinen Leib in tausend Stücke schneiden und jeden Tag aufs Neue zusammenfügen wird und du bis in alle Ewigkeit Schmerzen erleiden wirst, die alle Qualen, die einem Menschen auf dieser Erde zugefügt werden können, weit übertreffen werden?«
Nur der Gedanke, dass jedes harsche Wort als Zeichen seiner Schuld angesehen werden würde, hielt Junker Peter davon ab,dem Prälaten die Antwort zu geben, die ihm auf der Zunge lag. Er war keiner der Männer, die ergeben buckelten und ihre Zunge geschmeidig tanzen ließen, um auf diese Weise an ihr Ziel zu kommen. Daher beschränkte er sich auf ein schlichtes: »Das alles ist mir bewusst.«
»Trotzdem bist du bereit, diesen Eid zu leisten?« In der Frage schien die Hoffnung zu schwingen, Eichenloh würde im letzten Augenblick, von seinem Gewissen gepeinigt, den Mord zugeben. Den Gefallen tat er Pratzendorfer jedoch nicht, sondern legte die Hand auf das Kruzifix, das der Priester, der dem Prälaten assistierte, ihm hinhielt, und sprach so laut und deutlich wie möglich.
»Ich, Peter von Eichenloh, Ritter des Heiligen Römischen Reiches, schwöre vor Gott, Jesus Christus und dem Heiligen Geist sowie allen Heiligen unserer heiligen, apostolischen Kirche, dass ich den Reichsritter Michel Adler auf Kibitzstein weder getötet noch ihm nach dem Leben getrachtet habe! Möge Gott meine Gebeine zerschmettern und mich auf ewig den Qualen der Hölle übereignen, wenn ich falsch geschworen habe!«
Pratzendorfer schnaubte enttäuscht, wandte sich dann Otto von Henneberg zu und forderte auch diesem den Eid ab, verzichtete aber darauf, ihn noch einmal daran zu erinnern, welche Gefahren seiner unsterblichen Seele im Falle eines Meineids drohen würden.
Graf Otto sprach den Eid ebenfalls nach, wenn auch stockend und bei weitem nicht so fest wie sein Freund. Der Prälat schien jedoch zufrieden, denn er segnete ihn, was er bei Eichenloh unterlassen hatte, und stellte sich dann vor
Weitere Kostenlose Bücher