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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vorgestellt, und sie flehte den Himmel an, sie bald aus diesem Elend zu erlösen.
    Ungeachtet des schlechten Wetters schritten die Wallfahrer kräftig aus. Aber da sie vor jedem Kreuz am Wegesrand ein Bittgebet anstimmten, kamen sie weitaus langsamer vorwärts, als Trudi gehofft hatte. Auch vergaßen die Leute bei aller Frömmigkeit nicht das leibliche Wohl, denn sie widmeten sich ausgiebig den Mahlzeiten in den Herbergen und ließen sich das von den Herbergswirtinnen gebraute Bier schmecken.
    Trudi musste immer wieder daran denken, welchen Schikanen sich ihre Mutter vonseiten des Fürstbischofs und seiner Verbündeten inzwischen ausgesetzt sah. Daher ging es ihr nicht schnell genug, und sie schimpfte stumm über die saumseligen Pilger. Gleich darauf aber bat sie die Jesusmutter um Verzeihung für ihre bösen Worte. Die Menschen um sie herum sorgten sich um ihr Seelenheil, und dafür durfte sie sie nicht schelten. Mit dem festen Vorsatz, alle bösen Gedanken zu vertreiben und auf dem Rest der Wallfahrt für ihre Mutter und ihre Familie zu beten, damit der Himmel gnädig mit ihnen verfuhr, nahm Trudi das Brot entgegen, das ihr ein älterer Mönch aus einem Korb reichte, und trank dazu braunes Bier.

3.
    M arie freute sich, als Abt Pankratius von Schöbach in die Halle trat und sie mit einer segnenden Geste begrüßte. Endlich kommt ein Freund ins Haus, dachte sie und beugte ihr Knie, um den Gast zu ehren.
    »Seid mir tausendmal willkommen, ehrwürdiger Vater. Ich bin glücklich, Euch zu sehen!« Mit einer Handbewegung befahl sie Anni, dem Abt einen Begrüßungstrunk zu reichen und die Brotzeit zu bringen, die sie hatte zusammenstellen lassen, als ihr die sich nähernde Reitergruppe gemeldet worden war. Dem Schöbacher durften nur die besten Sachen aufgetischt werden, die auf Kibitzstein zu finden waren. In diesen Tagen waren gute Verbündete rar, und Pankratius von Schöbach zählte zu Michels engsten Freunden. Der Abt hatte ihren Mann oft um Rat gefragt oder Hilfe von ihm bekommen, und daher nahm Marie an, der Besucher würde nun ihr zur Seite stehen.
    Während der Abt sich die Mahlzeit schmecken ließ, drehte sich das Gespräch um den schweren Verlust, den Marie erlitten hatte,und der Abt brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, der Himmel würde den Mörder bestrafen.
    »Da müsste er schon in Würzburg dreinschlagen, denn ich bin sicher, dass dieser schreckliche Plan auf der Burg des Fürstbischofs ausgeheckt worden ist«, antwortete Marie bitter.
    Pankratius von Schöbach hob beschwichtigend die Hände. »Versündige dich nicht, meine Tochter! Herr Gottfried Schenk zu Limpurg ist über diesen feigen Mord genauso entsetzt wie ich und die anderen Freunde deines Gemahls.«
    »Davon bemerke ich nichts. Der Fürstbischof behauptet zwar, er wolle mir Schutz bieten. Doch dafür fordert er von mir, die Reichsfreiheit Kibitzsteins aufzugeben, und will mir überdies einen großen Teil des Besitzes abnehmen, den mein Mann und ich redlich erworben haben.« Marie machte keinen Hehl daraus, dass sie kein gutes Wort über den Würzburger Bischof hören wollte.
    Pankratius von Schöbach wechselte auch sofort das Thema.
    »Ritter Michel war ein wackerer Mann, den ich sehr geschätzt habe! Daher halte ich es für wichtig, wenn du dir mehr Gedanken um seine unsterbliche Seele machst. Bisher hast du nur von deinem Kaplan Messen für ihn lesen lassen. Aber der ist ein einfacher Dorfprediger, und seinen Gebeten fehlt die Kraft, im Himmel Gehör zu finden. Die Mönche meines Klosters und ich selbst wären gerne bereit, gegen eine kleine Spende für deinen Gemahl zu beten und ihn nicht nur der Heiligen Jungfrau, sondern auch den Patronen unseres Klosters anzuempfehlen.«
    Marie war nicht übermäßig fromm, aber sie nahm an, dass einige weitere Gebete Michels Weg ins Himmelreich erleichtern würden. »Ich würde mich darüber freuen, wenn Ihr für meinen Mann beten würdet, ehrwürdiger Vater. Auf ein paar Gulden mehr oder weniger kommt es mir dabei nicht an.«
    »Eine Spende an unser Kloster wäre dem Seelenheil deines Gemahls gewiss sehr zuträglich. Angesichts deines Reichtumssolltest du jedoch nicht kleinlich sein. Du weißt ja: Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!« Das Gesicht des Abtes nahm dabei einen gierigen Ausdruck an, und er streckte die Hand aus, als wolle er dieses Geld sofort entgegennehmen.
    Marie erschrak. Eben hatte sie noch geglaubt, einen Freund zu Gast zu haben. Doch der Abt reihte sich mit

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