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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ihr Gemahl wussten, dass sie des Schreibens kundig war, und würden sich wundern, wenn plötzlich ein Briefvon ihr kam, der aus fremder Feder stammte. Trotzdem reichte sie dem Pfarrer eine kleine Münze.
    »Habt Dank für Feder und Tinte«, sagte sie, legte ein Blatt Papier auf den Tisch, schnitt die Feder zurecht und begann zu schreiben. Dabei sahen ihr der Pfarrer und die beiden Waffenknechte über die Schulter.
    »Ihr verfügt über eine bemerkenswert klare Schrift!« In der Stimme des Priesters schwang Neid, denn seine Hand führte die Feder nicht so sicher, und er schämte sich, der jungen Dame seine Dienste angeboten zu haben. Um seine Unsicherheit zu überspielen, lobte er Trudis Vorhaben, für die Seele ihres ermordeten Vaters zu beten, und gab ihr Ratschläge, in welchen Kirchen im Umkreis ihre Gebete besonders wirkungsvoll seien.
    Trudi hörte dem Pfarrer interessiert zu, beschloss aber, ihre Reise nun anders anzugehen als bisher. Sie besaß nicht mehr genug Mittel, jeden als wundertätig angesehenen Ort und jede bedeutende Kirche aufzusuchen, sondern musste nun auf schnellstem Weg zu König Friedrich in die Steiermark reisen. Am liebsten hätte sie den Priester gefragt, welches der kürzeste Weg dorthin war, aber dann hätten Tesslers Leute ihr wahres Ziel erfahren.
    Während der Priester noch redete, unterzeichnete sie ihr Schreiben, erbat sich vom Wirt eine Wachskerze und ließ ein paar Tropfen auf das Papier fallen. Dann drückte sie ihren Ring in die erstarrende Masse. Zwar besaß sie kein eigenes Siegel, doch Mariele kannte das Schmuckstück und würde wissen, dass der Brief tatsächlich von ihr kam.
    Erleichtert reichte sie dem Waffenknecht, der am heftigsten gedrängt hatte, das Schreiben. »Hier hast du deinen Brief. Übermittle Frau Mariele meine besten Wünsche und sage ihr, dass ich ihr großen Dank weiß.«
    Der Mann begriff, dass er nichts mehr ausrichten konnte, und steckte das Papier ein. Dennoch hoffte er, das Edelfräulein würde sich über Nacht besinnen und mit ihnen kommen. Doch so, wieer sie kennengelernt hatte, würde sie erst in etlichen Stunden, vielleicht sogar erst nach Tagen zur Einsicht kommen, und er nahm sich vor, so langsam zu reiten, wie er es noch verantworten konnte, damit die junge Dame und ihre beiden Getreuen ihnen folgen und sie einholen konnten. Taten sie dies nicht, dann war ihr Schicksal nicht mehr seine Sache.

2.
    A m nächsten Morgen sah Trudi die Waffenknechte aufbrechen und fühlte eine Beklemmung in sich aufsteigen, die ihr Herz schmerzhaft zucken ließ. Nur das Versprechen des Hilfspfarrers, er würde dafür sorgen, dass sie sich einer Gruppe von Wallfahrern anschließen könne, die gleich in der Frühe nach Altötting aufbrechen würden, hatte verhindert, dass sie die beiden Männer anflehte, bei ihr zu bleiben.
    Die Pilger versammelten sich bereits auf dem Kirchplatz, und Trudi blieb nichts anderes übrig, als die arg säumige Uta anzutreiben, damit sie rechtzeitig fertig wurden und die Messe besuchen konnten, mit der die Wallfahrt ihren Anfang nahm.
    Auf dem Weg zur Kirche und auch im Gotteshaus fand Trudi sich im Mittelpunkt fragender Blicke wieder. Den meisten erschien sie zu jung, um allein auf Reisen zu gehen, andere wiederum wunderten sich über ihr kleines Gefolge. Trudi vernahm etliche Bemerkungen über ihre Person und begriff, dass sie sich eher früher als später zwei Knechte suchen musste, die ihr als Leibwache dienen konnten.
    Als sie sich nach der Messe zu der Gruppe gesellte, war sie nicht sicher, ob dies die richtige Entscheidung gewesen war. Die Leute reisten nämlich zu Fuß nach Altötting und würden ihren Worten zufolge mindestens vier Tage für den Weg brauchen. Daher überlegte Trudi, ob sie nicht den Amtmann dieses Bezirks bittensollte, ihr mit zwei oder drei Soldknechten auszuhelfen. Sie sah zur Burg hoch, die von einem wuchtigen Turm beherrscht wurde, und fragte sich, wie der Herr wohl reagieren würde. Es war nicht auszuschließen, dass er sie gefangen setzte, um von ihrer Mutter Lösegeld zu fordern. Dann hätte sie ihrer Familie nicht geholfen, sondern ihr noch mehr Schwierigkeiten bereitet. Die beiden Tage, die sie auf dem Weg nach Altötting verlor, würde sie eben auf der weiteren Reise wieder aufholen müssen.
    Nachdem sie neuen Mut gefasst hatte, ließ sie sich von Lampert auf ihr Pferd helfen. Der Knecht und Uta mussten den Weg stellvertretend für ihre Herrin zu Fuß antreten, so bestimmte es der Anführer der Wallfahrer.

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