Die Tochter der Wanderhure
als Burghauptleute von Würzburg amtiert und zu den mächtigsten Herren in Franken gehört hatten. Das Ringen um Einfluss und Macht hatte die Henneberger jedoch geschwächt und ihren Hauptzweig bis über die Rhön zurückgetrieben. Seine Familie, die seit langem wegen Erbstreitigkeiten mit den anderen Henneberger Linien verfeindet war, hatte sich den Bischöfen angeschlossen und ihr Land als Lehnsmänner des Hochstifts behalten dürfen. Das Ansehen und die Bedeutung ihrer Ahnen hatten sie jedoch nicht mehr erreicht.
Es war an der Zeit, dies zu ändern. Graf Magnus ballte die Faust in die Richtung, in der er Kibitzstein wusste. Diese Sippe würde als erste fallen, und nach ihr noch etliche, die sich dem Fürstbischof nicht unterwerfen wollten. Ein Viertel der Ländereien, die auf diese Weise in den Besitz des Hochstifts übergingen, würde ihm als Belohnung zufallen. Daher hoffte er, dass möglichst viele Burgherren störrisch blieben, denn mit jedem, den er im Auftrag des Herrn Gottfried zur Räson brachte, würde der Reichtum seiner Familie steigen.
Magnus von Henneberg ahnte nicht, dass er schon seit geraumer Zeit beobachtet wurde. Cyprian Pratzendorfer weilte immer noch in Würzburg, obwohl der Auftrag, mit dem Papst Eugen IV. ihn hierhergeschickt hatte, längst ausgeführt war. Nun trat er neben den Grafen und setzte ein freundliches Lächeln auf. »So in Gedanken, mein Sohn?«
Ungehalten über die Störung, drehte Graf Magnus sich zu dem Sprecher um. Als er den Prälaten erkannte, schluckte er seinen Unmut hinunter. Immerhin war Pratzendorfer ein Studienfreund des Bischofs und übte großen Einfluss auf Herrn Gottfried aus. Also durfte er diesen Mann nicht verärgern.
»Das Denken unterscheidet den Menschen vom Tier, Hochwürden.«
Pratzendorfer nickte. »Damit hast du recht, mein Sohn. Doch es gibt gute Gedanken und schlechte Gedanken.«
»Meine sind gewiss gut!« Graf Magnus hatte kein Bedürfnis, mit dem Prälaten über seine Gedanken oder gar Pläne zu sprechen. Sein Gesichtsausdruck verriet Pratzendorfer jedoch genug. »Du willst gegen Kibitzstein ziehen, um die Verwundung deines Bruders zu rächen. Dies ist verständlich, doch du darfst die Pläne Seiner Hoheit, des Fürstbischofs, nicht in Gefahr bringen.«
Der warnende Unterton ärgerte den Henneberger, denn er hielt sich für einen aufrechten Gefolgsmann des Bischofs und war bereit, für diesen gegen jeden anderen Herrn im Reich das Schwert zu ziehen. »Ich bin der Ansicht, dass dieses Ärgernis Kibitzstein aus der Welt geschafft werden muss. Das Beispiel dieser Wirtswitwe stachelt nur die anderen Burgherren und Reichsritter an, es ihr gleichzutun und sich gegen Seine fürstbischöfliche Exzellenz zu stellen.«
Der Prälat lächelte. »Die Schlinge, in der ein solches Wild sich fangen soll, muss gut gelegt werden, mein Sohn. Wenn du wie ein gereizter Stier nach Kibitzstein stürmst und die Burg belagerst, hilfst du weder Herrn Gottfried noch dir. Es würde nur heißen, ihr nehmt einer armen Witwe und deren Kindern das Erbe weg. Zunächst muss dieses Weib die ihm schützend entgegengestreckte Hand Seiner Hoheit ausgeschlagen und sich mit den meisten Nachbarn zerstritten haben. Erst dann vermag der Fürstbischof einzugreifen, um den Landfrieden wiederherzustellen. Selbst darf er ihn jedoch nicht brechen.«
Die Warnung war deutlich, denn Henneberg wäre am liebsten auf der Stelle mit einem Heer nach Kibitzstein aufgebrochen. Doch es war sinnlos, die gut befestigte Burg mit seinen eigenen Männern und den paar Bewaffneten anzugreifen, die ihm Freunde zur Verfügung stellen konnten. Um Erfolg zu haben, benö tigte er Geschütze aus dem Arsenal des Fürstbischofs. Aber zurückstecken oder gar aufgeben wollte Graf Magnus nicht.
»Und was ist, wenn dieses Wirtsweib sich dem Markgrafen von Ansbach an den Hals wirft?«, fragte er besorgt.
»Sie hat ihm bereits eine Botschaft geschickt und um Hilfe gebeten. Zum Glück ist es meinen Verbündeten in Ansbach gelungen, das Schreiben an sich zu bringen, bevor es den Markgrafen erreichen konnte. Aber uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Bevor es zu einer Fehde gegen Kibitzstein kommt, müssen wir dafür Sorge tragen, dass Seine Hoheit, der Fürstbischof, als Verteidiger des Landfriedens auftreten kann.«
»Wie stellt Ihr Euch das vor?«, fragte Graf Magnus.
»Du solltest ein wenig durchs Land reiten und mit einigen Leuten reden. Besuche zum Beispiel den Abt Pankratius von Schöbach. Erfolg dürftest du auf
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