Die Tochter der Wanderhure
und einer sicheren Hand bedurften.
Trotz ihrer Achtsamkeit bekam die Magd nicht mit, was der Junker und ihre Herrin ständig zu flüstern hatten. Kam sie näher, verstummten beide oder sprachen über unverfängliche Dinge. Trudi, die Uta im Auge behielt, sah, wie die Magd einen hässlichen Riss entdeckte, die Zungenspitze zwischen die Lippen schob und ihre Nadel so zu führen versuchte, dass möglichst wenig von der Naht zu sehen sein würde. Schnell zupfte sie ihren Geliebten am Ärmel und legte ihren Kopf an seine Schulter. »Ich glaube, jetzt ist es mir möglich, Euch zur Flucht zu verhelfen.« Gressingen spannte sich wie ein Bogen. »Je eher es geschieht, desto besser ist es!«
Nun erwartete er, Forderungen von ihr zu hören, und war bereit, Trudi für ihre Unterstützung alle Eide zu leisten, die sie von ihm verlangte. Wenn er seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt hatte, würde der Prälat Pratzendorfer ihn von allen Banden befreien, die die Umstände ihm aufzwingen mochten.
»Lampert muss als Rossknecht im Stall arbeiten. Daher ist es ihm möglich, ein Pferd für Euch und meine Stute für mich zu satteln.«
»Ihr wollt mitkommen?« Gressingen schluckte, diese Entwicklung hatte er nicht vorausgesehen. Wenn Trudi ihn zu Herzog Albrecht begleitete und verkündete, sie habe ihn befreit, würde Friedrichs Bruder sie allein aus Dankbarkeit mit ihm verheiraten.
Er wollte Trudi sagen, dass er sie nicht mitnehmen könne, doch ihr Gesichtsausdruck warnte ihn. Sie war impulsiv und starrköpfig, und er durfte nicht riskieren, dass sie ihm wegen eines falschen Worts jede Hilfe versagte. Außerdem, sagte er sich, würde er verhindern können, dass es eine gemeinsame Flucht gab.
Scheinbar erfreut nickte er ihr zu. »Das ist eine gute Idee, meine Liebe! Gewiss wird Herzog Albrecht Euch die Unterstützung gewähren, auf die Ihr hier vergebens hofft! Doch jetzt erzählt mir bitte, wie Ihr Euch die Sache vorstellt.«
»Lampert wird dafür sorgen, dass die Pferde zu dem von uns gewünschten Zeitpunkt bereitstehen. Kurz zuvor werde ich Euch ein Schwert beschaffen, denn ich weiß jetzt, wo die Rüstkammer der Burg liegt. Sie wird nicht extra bewacht, und das macht es mir möglich, unauffällig an eine Waffe zu kommen. Dann gilt es nur noch, den Wachtposten vor Eurer Tür zu täuschen und zu überwältigen. Tötet ihn aber nicht, denn er ist ein freundlicher Mann.«
»Ihm wird nichts geschehen!« Gressingen lächelte innerlich über Trudis Naivität. Natürlich konnte er es nicht riskieren, den Wächter am Leben zu lassen. Nun musste er diese kleine Hurentochter dazu bringen, genau den richtigen Zeitpunkt abzupassen. »Ihr solltet zu Beginn jener Stunde zu mir kommen, in der der König sich zum Gebet in die Kapelle zurückzieht. Dann erhalten wir genug Vorsprung, um möglichen Verfolgern eine lange Nase drehen zu können.«
Trudi nickte eifrig. »Das ist eine gute Idee! Übrigens habe ich mir die Wege, die aus Graz hinausführen, bei meinen Ausritten in den letzten Tagen genau angesehen und werde Euch leiten können.«
Diese Aussage brachte Gressingen beinahe dazu, sie tatsächlich mitzunehmen. Da sie es jedoch niemals zulassen würde, dass er den König tötete, musste er seine Flucht allein antreten. Er atmete tief durch und streichelte Trudis Wange.
»Ihr seid ein mutiges Mädchen. Ich werde Euch das nie vergessen, solange ich lebe.«
»Ich liebe Euch«, flüsterte Trudi und wünschte sich, dieser Augenblick würde niemals vergehen.
Doch just zu dem Zeitpunkt war Uta mit ihrem Leintuch fertig und räusperte sich hörbar. »Es ist schon spät geworden, Jungfer. Wenn Ihr nicht noch mehr in Verruf geraten wollt, als es bereits geschehen ist, sollten wir die Kammer verlassen.«
Trudi zog ein langes Gesicht, tadelte Uta aber nicht, weil sie wusste, dass die Magd recht hatte. Hardwin von Steinsfeld hatte ihr bereits gesagt, dass ihre häufigen Besuche bei dem Gefangenen sie in ein schlechtes Licht setzen würden. Da sie so kurz vor der Befreiung kein Aufsehen mehr erregen wollte, erhob sie sich von ihrem Schemel und knickste mit einem schelmischen Gesichtsausdruck vor Gressingen.
»Ihr erlaubt, dass ich morgen und vielleicht auch übermorgen fernbleibe, denn ich habe noch andere Pflichten zu erledigen.«
»Ihr solltet endlich zusehen, dass der König Euch eine Audienz gewährt, sonst ist Eure Mutter verloren. Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Fürstbischof seine Soldaten ausschickt!« Utas Mahnung war berechtigt,
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