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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zu werden, falls der Wachtposten den Kopf hereinstrecken würde. Sie sah jedoch nur Gressingen mit einer Unschlittlampe in der Hand eintreten.
    Er drehte sich zu dem Wächter um, so dass dieser die Tür nicht hinter ihm schließen konnte. »Wenn du mir noch einen Krug Wein besorgen könntest, wäre ich dir sehr dankbar.«
    »Ich darf meinen Posten nicht verlassen«, antwortete der Mann. Gressingen lachte auf. »Bei Gott, du schiebst doch die beiden Riegel vor! Außerdem bist du ja gleich wieder zurück.«
    Der Wächter nickte und wartete, bis Gressingen weit genug zurückgetreten war. Dann zog er die Tür zu und verriegelte sie. Einen Augenblick später vernahm Trudi, wie sich die Schritte des Mannes in der Ferne verloren.
    »Na, wie habe ich das gemacht? Jetzt muss der Kerl nur noch hereinkommen, dann kann ich ihn überwältigen.« Gressingen sah Trudi erwartungsvoll an. »Gib mir jetzt das Schwert! Stehen die Pferde bereit?«
    »Das tun sie«, antwortete Trudi leise und schlug ihren Umhang auf, damit er das Schwert sehen konnte. Gressingen griff danach, zog es aus der Scheide und schwang es prüfend durch die Luft.
    »Endlich! Du weißt gar nicht, wie sehr ich es vermisst habe, mein Schicksal wieder in die eigene Hand nehmen zu können.«
    »Darüber bin ich auch sehr froh! Doch nun solltet Ihr Euch wärmer anziehen, damit wir fliehen können, sobald der Wachtposten zurückgekommen ist.«
    »Wir haben Zeit.« Gressingen sagte es, um Trudi zu beruhigen, die wie ein aufgescheuchtes Huhn vor der Tür hin und her lief. In Wirklichkeit fieberte er nicht weniger als sie der Rückkehr des Mannes entgegen. Schon bald würde der König die Kapelle betreten, um darin zu beten. Er musste vor Friedrich dort sein, sonst kam er nicht mehr an dessen Leibwächtern vorbei.
    »Ich glaube, ich höre ihn!« Gressingen bedeutete Trudi, von der Tür wegzugehen, und hob das Schwert. Er sah dabei so grimmig aus, dass Trudi beinahe Angst vor ihm bekam.
    »Bitte töte ihn nicht!« Die Wächter waren immer freundlich zu Trudi gewesen, daher wünschte sie diesem Mann nichts Böses.
    Gressingen achtete jedoch nicht auf sie, sondern wartete, bis der Mann klopfte. »Ich habe den Wein!«
    »Dann bring ihn herein. Ich habe Durst!« Gressingens Stimme klang rauh, und er musste die Zunge mit Speichel anfeuchten, um reden zu können.
    »Tretet zurück!« Der Wachtposten verstand sein Handwerk. Gressingen wollte ihm jedoch keine Gelegenheit geben, selbst sein Schwert ziehen zu können, und bedeutete Trudi, ein paar Schritte auf die Außenmauer zuzugehen, während er selbst bei der Tür blieb.
    Trudi brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was er von ihr wollte. Dann aber ging sie mit festem Schritt zum Fenster und wartete dort auf das, was geschehen würde.
    Da der Wachtposten glaubte, Gressingen hätte sich von der Tür zurückgezogen, öffnete er die Riegel und trat ein. Noch bevor er begriff, dass der Junker direkt neben der Tür auf ihn lauerte, traf dessen Waffe ihn mit voller Wucht. Er kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen, sondern war schon tot, als er auf dem Boden aufschlug.
    Trudi starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den gespaltenen Schädel des Mannes und glaubte zu fühlen, wie der Boden unter ihr schwankte. »Bei Gott, das wäre doch nicht nötig gewesen!«
    »Nötig vielleicht nicht, aber sicherer.« Gressingen zerrte den Toten von der Tür weg und drehte sich dann zu Trudi um. Dieses Problem würde er sich nun ebenfalls mit einem schnellen Schwerthieb vom Hals schaffen.
    Trudi sah das blutige, erhobene Schwert und nahm den verächtlichen, ja sogar angeekelten Ausdruck wahr, mit dem Gressingen auf sie herabschaute, und erkannte seine Absicht. Aber sie wollte nicht glauben, was sie sah. Sie musste in einem Alptraum gefangen sein! Es war doch nicht möglich, dass der Mann, der ihr immer wieder seine Liebe geschworen und sie noch vor der Ehe zur Frau gemacht hatte, sie umbringen wollte. Mit einem Mal durchschaute sie das Spiel, welches Gressingen mit ihr getrieben hatte.
    Wie von selbst tastete sie mit der Rechten nach ihrem Dolch, mochte dies auch eine jämmerliche Waffe im Vergleich zu dem Schwert sein. »Was soll das bedeuten? Ich liebe dich doch!« Gressingen lachte höhnisch auf. »Deine blinde Verliebtheit war mir sehr nützlich. Nun kann ich endlich das tun, für das man mich erwählt hat. Ich werde im Auftrag Herzog Albrechts den König töten und reichen Lohn dafür erhalten. Du dummes Ding hast mich nie

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