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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Erde. Selbst als der Lichtschein eines aufgeschürten Feuers ihn voll erfasste, nahm keiner der Wächter ihn wahr.
    Während die beiden Krieger, die ihn noch hätten sehen können, wieder ein paar Worte miteinander wechselten, sprang Falko auf und verbarg sich unter dem Wagen. In der Deckung der großen Räder, deren Speichen so viele Schatten warfen, dass selbst ein Adler ihn dort nicht hätte ausmachen können, zog er seine kleine, selbstgebastelte Bombe hervor und fragte sich, wie er sie am wirkungsvollsten einsetzen konnte. Wenn er sie einfach unter den Wagen legte und die Lunte anzündete, würde sie wohl wirkungslos verpuffen, denn die Bohlen, aus denen der Boden des Gefährts bestand, waren beinahe so stabil wie die des Burgtors.
    Er musste mehr wagen! Falko schob die Zunge zwischen die Lippenund richtete sich auf. Als die Wachen ihm für einen Augenblick den Rücken zukehrten, zog er sich auf den Wagen und schlüpfte unter die Plane. Unter dem schweren Stoff konnte er zwar nichts mehr sehen, doch seine Hände ertasteten einen Spalt zwischen den Fässern, in den er die Pulverflasche stecken konnte.
    Dann rollte er die Zündschnur aus, die ihm mit einem Mal arg kurz erschien, und zog die Zunderbüchse aus der Tasche.
    Sein Magen verknotete sich. Wenn der Baumschwamm erloschen war, konnte er die Lunte nicht entzünden, da er keine Möglichkeiten besaß, Feuer zu machen. Zwar hatte Hilbrecht Stahl und Feuerstein bei sich, doch die fünfzig Schritte, die ihn von seinem Freund trennten, hätten gut und gern ebenso viele Meilen sein können.
    Falko richtete ein Stoßgebet zum Himmel und öffnete die Dose.
    Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er das rote Glimmen in ihrem Innern sah. Rasch blies er die Glut an und hielt sie an das Ende der Zündschnur. Es dauerte ein wenig, bis das mit Schwarzpulver verdrillte Werg Feuer fing. Als es zischte, ließ Falko die Dose fallen und sprang aus dem Wagen. Schon wollte er losrennen, als ihm klarwurde, dass er die Wachen auf sich aufmerksam machen würde. Wenn einer der Männer den richtigen Einfall hatte und früh genug nachsah, würde er die Zündschnur löschen können.
    Also blieb ihm nichts anderes übrig, als erneut eine Eidechse zu spielen und auf dem Bauch davonzukriechen. Falko versuchte mitzuzählen, wie rasch die Zündschnur abbrannte. Kam er nicht weit genug von dem Wagen weg, würde das explodierende Pulver ihn ins Himmelreich schleudern. Halberstarrt vor Anspannung, begann er leise zu beten und rutschte schließlich auf Knien und Ellbogen weiter.
    Er hatte noch nicht ganz die Hälfte bis zum Kreis der Wachfeuer zurückgelegt, da schien hinter ihm die Welt unterzugehen. Ein Licht flammte auf, heller als der Tag, und gleichzeitig packte ihn eine Riesenfaust und schleuderte ihn durch die glutheiße Luft,die ihm Haut und Haare versengte. Er landete hart und vernahm gleichzeitig einen Donner, der die Erde bis ins Mark erschütterte.
    Dann war es so still wie in einem Grab.
    Falko stemmte sich ein wenig hoch, schüttelte sich benommen und verspürte einen Schmerz im Nacken, der sich bis in den Rücken und über den halben Kopf zog. Mühsam wandte er sich um und unterdrückte einen triumphierenden Aufschrei. Was er sah, hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Dort, wo der Pulverwagen gestanden hatte, befand sich ein Loch im Boden, das groß genug war, um ein Pferd darin zu begraben. Die meisten Zelte ringsum waren wie von einem Sturmwind davongerissen worden, und viele andere loderten auf wie Scheiterhaufen. Offensichtlich hatte die Explosion das Holz der Wachfeuer aufgewirbelt und die gepichte Leinwand in Brand gesetzt. Flammen schlugen aus Zelten, Unterständen und Vorratswagen und tauchten die Landschaft in ein gespenstisches Licht.
    Überall rannten Menschen herum, sie schienen kopflos zu sein und gestikulierten wild. Auch sahen sie so aus, als würden sie schreien oder einander etwas zurufen, aber Falko vernahm keinen Laut. Während er sich verwundert umschaute, zupfte ihn jemand am Ärmel. Er fuhr herum und atmete erleichtert auf, als er Hilbrecht erkannte. Auch sein Freund bewegte die Lippen, doch Falko konnte nichts verstehen.
    Erschrocken deutete er auf seine Ohren. »Ich kann nicht mehr hören!«
    Hilbrecht stutzte, begriff dann aber, was sein Freund meinte, und packte ihn am Arm. »Lass uns verschwinden!«
    Er wollte Falko mit sich ziehen, doch dieser riss sich los und zeigte auf die Kanone, die immer noch in ihrer Bettung lag. Die

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