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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sich das Rohr erneut.
    Falko befahl ihnen, die Stangen noch einmal weiter vorne anzusetzen. Als sie sich nun auf die Hebel warfen, rutschte das Rohr wie von selbst über den Rand der Bettung, rollte einige Klafter weit und schien dann zur Ruhe zu kommen. Im nächsten Augenblick aber kippte es über eine Kante und fiel in abschüssiges Gelände.
    Ein paar Herzschläge lang sahen die drei Jünglinge zu, wie das Geschützrohr in der Nacht verschwand. Man konnte hören, wie es gegen blanken Felsen krachte und Rebstöcke niederwalzte. In diesem Herbst würde es weniger Wein geben, aber das war ein geringer Preis für diesen Sieg.
    Das Rohr rollte noch zu Tal, als hinter ihnen scharfe Kommandos aufklangen. Sie drehten sich um und sahen die Würzburger in breiter Front auf sich losstürmen.
    »Zur Burg!«, befahl Falko. Es war der letzte Ausweg, da sie beinahe schon umzingelt waren. Als sie auf die Burg zurannten, kam ihnen ein weiterer Trupp feindlicher Krieger entgegen.
    »Wir hätten vielleicht doch die andere Richtung nehmen sollen«, rief Hilbrecht erschrocken und tastete nach seinem Schwert. Das aber hatte er auf Kibitzstein zurückgelassen. Genau wie Falko trug er nur einen Dolch bei sich, und Giso besaß nicht mehr als das Messer, welches er zum Essen benutzte.
    »Jetzt zeigen wir den Kerlen mal, was Heldenmut ist«, rief Hilbrecht mit einer Stimme, die seine Angst verriet.
    Falko lachte kurz auf, denn er sah, wie die Tore von Kibitzstein sich öffneten und die Burgbesatzung mit Michi an der Spitze einen Ausfall machte. »Kommt, Leute, das schaffen wir!«
    Er rannte auf die Henneberger zu, schlug dann Haken und versuchte, die Leute zu umgehen. Hilbrecht wählte die andere Richtung, während Giso, der etwas zurückgeblieben war, genau in die Lücke hineinlief, die ihm die Verfolger seiner Freunde öffneten.
    Wie durch ein Wunder gelang es allen drei, den Hennebergern so lange zu entgehen, bis Michi mit seinen Mannen heran war und sich brüllend auf die Feinde stürzte.
    Die Kriegsknechte, die den Schrecken des explodierenden Pulverwagens noch nicht überwunden hatten, schienen die neue Gefahr nicht richtig wahrzunehmen, denn sie stolperten immer noch hinter den drei Freunden her. Erst als die Wurfspieße und Pfeile der Verteidiger ihre Ziele fanden, machten Hennebergs Soldaten Front gegen die Kibitzsteiner. Doch sie hatten zu spät reagiert und wurden zurückgedrängt.
    Falko und seine beiden Freunde schlüpften durch die eigenen Reihen und rannten, bis sie in Sicherheit waren. Mitten auf dem Burghof ließen sie sich atemlos fallen und hielten sich die Bäuche vor Lachen.
    Hinter ihnen blies ein Knecht, der sie hatte kommen sehen, ein Signal, und Michi gab den Befehl zum Rückzug. Er und seine Leute lösten sich von dem verwirrten Feind, brachten sich in der Burg in Sicherheit und schlossen die Tore hinter sich, ehe feindliche Krieger ihnen folgen konnten.
    Als die großen Balken vorgelegt waren, trat Michi zu Falko und blaffte ihn und seine Freunde an. »Was habt ihr blutigen Narren euch bloß dabei gedacht? Wäre nur einer von euch von den Hennebergern erwischt worden, hätten wir die Waffen strecken müssen!«
    Falko konnte vor Lachen kaum atmen. »Sie haben uns aber nicht erwischt! Stattdessen haben sie kein Pulver mehr, und ihre letzte Kanone liegt jetzt im Main. Auf unserer Seite haben wohl nur Mutters Weinstöcke gelitten.«
    »Das wird Frau Marie dir verzeihen! Geh und wasch dich, bevor du ihr gegenübertrittst. Du siehst grässlich aus. Und lass dich vorher noch von Anni verarzten.« Michis Stimme verriet, dass er trotz seines ersten Aufbrausens stolz auf die Burschen war. Er zwinkerte Falko sogar noch zu, bevor er auf die Burgmauer stieg, um im heraufziehenden Morgengrauen die Verheerungen zu betrachten, welche die drei bei den Belagerern angerichtet hatten.

5.
    D ie Erleichterung der Kibitzsteiner, dass nun keine Kanone mehr auf ihr Tor gerichtet war, hielt kaum länger als vierundzwanzig Stunden an. Gegen Mittag des übernächsten Tages marschierten weitere Soldaten die Straße von Volkach herauf. Sie führten zwar keine Kanonen mit sich, dafür flatterte das Banner des Fürstbischofs über ihren Köpfen. Offensichtlich hatte Herr Gottfried Schenk zu Limpurg die Geduld mit den Verteidigern von Kibitzstein verloren.
    Der Anführer der Truppe trug das Wappen der mainfränkischen Henneberger, und da es im Augenblick nur zwei Männer gab, die es tragen durften, konnte es sich nur um Graf Otto handeln, den

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