Die Tochter der Wanderhure
enttäuscht auf die Mauern der belagerten Burg. Es lockte ihn, Kibitzstein im Auftrag des Fürstbischofs zu erobern und damit seinem Bruder zu beweisen, dass er die Kriegskunst besser beherrschte als dieser.
Pratzendorfers Blick wanderte besorgt zwischen den beiden Hennebergern hin und her. Wenn der Ältere sein Versprechen nicht einhielt, würde Graf Otto auf das Kommando verzichten und zu Friedrich III. zurückkehren, und er verlor den einzigen Mann, der bereit und auch fähig war, die Burg zu erobern. Daher fuhr er Graf Magnus zornig an. »Jetzt leistet endlich diesen Eid, damit die Sache ein Ende nimmt! Oder wollt Ihr die Gunst Seiner Hoheit, des Fürstbischofs, ganz verlieren? Herr Gottfried ist sehr unzufrieden mit der Art und Weise, in der Ihr die Belagerung bislang geführt habt!«
Graf Magnus kämpfte noch einen Augenblick mit sich und seinem Stolz, dann senkte er den Kopf. »Wenn es denn sein muss.« Um die Lippen des fremden Priesters spielte ein eigenartiges Lächeln, und er nickte den beiden Hennebergern freundlich zu. Der römische Prälat aber schien Luft für ihn zu sein.
6.
P eter von Eichenloh hockte gebeugt auf seinem Hengst, als sei er ein hochbetagter Greis. Noch am Morgen hatte der Arzt ihn davor gewarnt, so früh wieder in den Sattel zu steigen, doch fürseinen Geschmack war er schon zu lange in Graz geblieben. Zudem drängte die Zeit. Es war schon längst Frühling geworden, und Kibitzstein mochte bereits gefallen sein. Der Verlust der Heimat aber würde Trudi den letzten Lebensmut nehmen. Während der letzten drei Wochen hatte sie ihn mehr an ein wildes, gefangenes Tierchen erinnert als an eine stolze Ritterstochter, und er hatte schon befürchtet, sie würde sich heimlich und ganz allein auf die gefährliche Reise nach Hause machen, obwohl sie dort nicht das Geringste bewirken konnte. Daher hatte er Quirin und Hardwin, aber auch Uta und Lampert gebeten, gut auf sie achtzugeben.
Immer wieder fragte er sich, ob er in der Lage sein würde, das Schicksal von Kibitzstein zu wenden. Wunder konnte auch er keine vollbringen, und er fürchtete, dass er zum ersten Mal auf einem Kriegszug scheitern würde. Aber er schwor sich aufs Neue, alles zu tun, was in seiner Macht stand. Mit diesem Vorsatz drehte er sich zu Trudi um und musterte sie.
Das Mädchen wirkte entschlossen und so kampfeslustig, als würden sie bereits in der nächsten Stunde den Soldaten des Würzburger Bischofs gegenüberstehen. Doch noch lagen viele Meilen zwischen ihnen und Kibitzstein. Selbst wenn sie schnell ritten und die Pferde nicht schonten, würden sie mindestens zwanzig Tage unterwegs sein.
Sein Blick wanderte weiter über seine Söldner, die er hier in Graz hatte frisch ausrüsten können. Bis auf ihn ritt jeder seiner Männer ein neues Pferd und führte sein altes zum Wechseln mit. Auch mit Waffen waren sie besser versehen als jemals zuvor, und sie besaßen Vorräte für einen langen Ritt.
»Wir sollten aufbrechen!«, drängte Trudi. Ihre Stimme verriet, wie stark die Enttäuschung in ihr nagte, weil der König ihnen keinen einzigen Soldaten mitgegeben hatte.
In der letzten Woche hatten sie Friedrich nicht einmal mehr gesehen. Wie es hieß, war er in seine andere Residenz zurückgekehrt,die näher bei Wien lag. Trudi nahm an, dass er sich dort in einer prächtigeren Kirche die Knie wund rutschte und Gott um Hilfe gegen seine Feinde bat. Von diesem König hatte sie mehr als genug, und sie begriff langsam, weshalb die Kurfürsten ausgerechnet ihm die Krone des großen Karls aufs Haupt gesetzt hatten. Da er tatenlos blieb, hatten Fürsten wie der Würzburger Bischof freie Hand, die kleinen Herrschaften in ihrer Reichweite zu bedrängen.
Beinahe tat der König ihr leid, doch sie schob dieses Gefühl rasch wieder von sich. Weder das Mitleid noch die Verachtung, die sie für diesen schwachen Herrscher empfand, halfen ihrer Familie. In ihrem Ärger wollte sie ihre Stute antreiben, um endlich den Ort hinter sich zu lassen, an dem ihre Hoffnungen wie Seifenblasen zerplatzt waren. Da öffnete sich das Portal des Palas, und mehrere Männer traten auf den Hof.
Zu ihrer Verwunderung erkannte Trudi Friedrich III., der erst vor wenigen Stunden nach Graz zurückgekehrt sein konnte, denn beim Abendessen am Vortag war sein Stuhl leer gewesen.
Der König trug einen weiten Umhang mit einem breiten Schulterkragen aus Pelz, der weniger dazu gedacht war, ihn gegen den kalten Wind zu schützen, der von den nahen Bergen herabblies,
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