Die Tochter der Wanderhure
wieder zu Trudi und deren Liebe zu Georg von Gressingen, und sie wollte ihr so schnell wie möglich berichten, in welchen Schwierigkeiten der Junker steckte. Zwar würde die Nachricht ihr Kummer bereiten, sie aber auch trösten, wenn sie erfuhr, warum Gressingen sich nicht mehr auf Kibitzstein hatte sehen lassen.
Da sie so rasch wie möglich mit ihrem Patenkind sprechen wollte, trank sie aus und verabschiedete sich von Michel und Marie. Den beiden fiel ihre Eile nicht auf, denn sie waren so in ihre Diskussion vertieft, dass sie ihr nur kurz zunickten.
»Ich komme morgen zu dir auf den Hof«, rief Marie ihr noch nach. Dann schwemmten ihre Sorgen wegen des Würzburger Bischofs jeden Gedanken an die Freundin hinweg.
14.
H iltrud fand Trudi im Garten, wo sie zusammen mit ihren Schwestern Lisa und Hildegard Äpfel pflückte. Eine junge Magd, die Uta gerufen wurde, half ihnen. Die vier benutzten eine lange Leiter, die gefährlich schwankte, als Trudi hinaufstieg. Hildegard, ein schmales Ding von zwölf Jahren mit einem sommersprossigen Gesicht und dunkelblonden Zöpfen, kreischte auf, als die Leiter abzurutschen drohte. Rasch trat Hiltrud hinzu und hielt die Holme fest.
»Komm herunter! Dann kann ich die Leiter besser gegen den Baum lehnen«, forderte sie ihr Patenkind auf. »Am besten wäre es, ihr würdet die Leiter von einem Knecht halten lassen.«
»Damit der Bursche uns unter den Rock schauen kann, wenn wir hinaufsteigen?«, rief Uta kess. Sie galt zwar nicht offiziell als Trudis Leibmagd, übte diese Dienste aber neben ihren anderen Pflichten aus.
Hiltrud bedauerte, dass Marie ihrer Tochter die Magd nicht mitgegeben hatte, als Trudi zu jenem verhängnisvollen Besuch auf Fuchsheim aufgebrochen war. Uta hätte auf Trudi aufgepasst und es Gressingen damit verwehrt, ein so übles Spiel zu treiben. Was er getan hatte, war eines wahren Edelmanns nicht würdig, und das machte es Hiltrud schwer, den Ritter sympathisch zu finden. Dennoch würde sie sich mit Trudis Wahl abfinden und das Ihre dazu tun, damit das Mädchen glücklich wurde.
Unterdessen war Trudi vom Baum geklettert und half ihrer Patentante, die Leiter besser an den Stamm zu lehnen. Hiltrud rüttelte kurz daran, um zu zeigen, dass jetzt keine Gefahr mehr drohte, und sah sich fragend um. »Wer steigt als Nächste hinauf und pflückt?«
Da ein eigenartiger Unterton in ihrer Stimme schwang, spitzte Trudi die Ohren. »Du warst doch bei Papa und Mama. Gibt es Neuigkeiten?«
»Die gibt es durchaus.« Hiltrud überlegte, ob sie das Mädchen ein wenig beiseitenehmen und unter vier Augen mit ihm reden oder die Nachricht von Gressingens Schicksal vor allen ausbreiten sollte. Da sie die Neugier der anderen nicht unnötig wecken wollte, entschied sie sich, es allen zu erzählen.
»Ihr kennt doch alle den Ritter auf Gressingen«, begann Hiltrud und sah Trudis Augen aufleuchten.
Lisa aber lachte etwas von oben herab. »Natürlich kennen wir Junker Georg. Er ist einige Male Papas Gast gewesen. Doch in letzter Zeit haben wir ihn nicht mehr gesehen. Papa hält großeStücke auf ihn, aber mir gefällt er nicht – und Mama mag ihn auch nicht.«
»Pah! Ob du jemanden magst oder nicht, interessiert doch keinen!« Trudi warf ihrer Ziehschwester einen bitterbösen Blick zu und bat Hiltrud weiterzureden.
Die Bäuerin wusste nicht so recht, ob sie den Mädchen das, was sie gehört hatte, richtig erklären konnte. »Gressingens Besitz hat früher einmal dem Hochstift gehört, und nun hat der neue Bischof ihn zurückgefordert.«
»Aber das kann er doch nicht tun!«, rief Trudi empört.
Hiltrud hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Hohe Herren machen oft Dinge, die sie eigentlich nicht tun dürften. Das ist nun einmal der Lauf der Welt.«
Während Trudi sich Sorgen um Gressingen machte, dachte Lisa weiter. »Wenn der Fürstbischof Gressingens Besitz geraubt hat, wird er auch uns alles wegnehmen.«
Trudi winkte ab, so als interessiere sie sich nicht für das Schicksal ihrer eigenen Familie. »Armer Junker Georg! Das muss ja schrecklich für ihn sein«, flüsterte sie und brach in Tränen aus.
»Aber Trudi! Was hast du denn?«, fragte Hildegard besorgt, aber sie erhielt nur ein »Lass mich in Ruhe!« als Antwort.
Lisa stupste ihre jüngere Schwester an. »Sie ist in Gressingen verliebt und träumt davon, seine Gemahlin zu werden. Das finde ich komisch, denn ich würde den Kerl um nichts auf der Welt haben wollen.«
Trudi schnellte herum und versetzte ihr eine
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