Die Tochter der Wanderhure
überlegenen Feind gegenüberzustehen, den Kampfgeist seiner Männer hatte mindern können. Sie würden ihm in jede Schlacht folgen, in die er sie führte, und gerade das bereitete ihm Sorgen. Der Bischof hasste ihn und würde mitdoppelterVehemenz gegen Kibitzstein vorgehen, wenn er erfuhr, wer der Burgherrin zu Hilfe kam.
Verärgert über seinen Kleinmut, hieb er mit der Faust durch die Luft. »Wir werden es Herrn Gottfried schon zeigen!«
»Aber nicht, wenn wir weiterhin wie Schnecken dahinkriechen«, antwortete Trudi bissig.
»Wir und Schnecken?«, fuhr Quirin auf. »Wir reiten bereits jetzt schon so schnell, dass der Wind neidisch wird, und da behauptet dieses Küken, wir wären Schnecken. Na, dem werden wir zeigen, wie wir Eichenloher reiten!«
Quirin und die Übrigen trieben ihre Pferde zu noch schnellerer Gangart an, und Peter blieb nichts anderes übrig, als es ihnen gleichzutun.
»Ich glaube, hier sind alle verrückt geworden«, sagte er zu Hardwin, der mit verkniffener Miene zu ihm aufschloss.
»Wenn du das sagst, wird es schon stimmen!« Hardwins Gedanken beschäftigten sich jedoch weniger mit dem Kampf um Kibitzstein als vielmehr mit Trudis Freundin Bona, die er nicht aus seinem Gedächtnis verbannen konnte. In Graz waren es nur flüchtige Gedankenfetzen gewesen, doch nun, da ihnjeder Schritt seines braven Braunen näher zu ihr hintrug, spukte sie in einer Weise in seinem Kopf herum, die ihn beinahe wahnsinnig machte. In seinen schlimmsten Träumen sah er sich selbst, wie er Moritz von Mertelsbach erschlug, nur um sie wieder in den Armen halten zu dürfen wie damals im Fuchsheimer Wald.
Sein Blick heftete sich auf Trudi, die schon wieder ein ganzes Stück vorausritt. Er hatte sie seit Graz immer wieder beobachtet, um sich klarzumachen, ob sie wirklich die richtige Braut für ihn wäre. Im Herbst hatte er diese Frage noch freudig bejaht, doch nun stieß ihre bestimmende Art ihn ab. Es war für ihn nicht leicht gewesen, ständig von der Mutter gegängelt zu werden. Zwar wusste er selbst, dass er eine kluge Frau brauchte, die ihm zu raten wusste. Aber Trudi würde ihm keine Ratschläge erteilen,sondern Befehle. Um mit ihr fertig zu werden, bedurfte es eines Mannes mit einem weitaus härteren Willen, als er ihn aufbrachte.
Hardwin hatte längst bemerkt, dass sein Anführer mehr für Trudi empfand, als dieser sich anmerken ließ. Doch von Minne war zwischen den beiden nichts zu spüren. Beinahe täglich stießen sie mit ihren harten Köpfen gegeneinander, als seien sie junge Widder, die ihre Kräfte erproben wollten. Dennoch erschien es ihm das Beste für beide zu sein, wenn sie zueinanderfanden. Im nächsten Augenblick schüttelte er jedoch den Kopf. Trudi würde Peter von Eichenloh nicht einmal mehr ansehen, wenn es diesem nicht gelang, ihrer Familie die Heimat zu erhalten. Schon jetzt verspottete sie ihn als den Kurier des Königs, weil er Briefe an ihre Feinde überbringen sollte.
Seufzend vertrieb Hardwin alle Überlegungen, die sich um seinen Anführer und Trudi Adler drehten. Schließlich ritt er seiner ersten Schlacht entgegen und hoffte, dass er sich darin bewähren würde. Seine Mutter sollte stolz auf ihn sein – und Bona ebenfalls. Zuerst wollte er diesen Gedanken abwehren, doch dann sagte er sich, dass seine Liebe nicht ganz so unerreichbar war, wie er bisher geglaubt hatte. Ihr Ehemann war um etliches älter als sie, sogar älter als ihr Vater. Sollte sie in ein paar Jahren zur Witwe werden, konnte er nach schicklicher Zeit um sie werben. Aber wenn er Pech hatte, wurde Moritz von Mertelsbach steinalt. Hin- und hergerissen zwischen seiner Zuneigung zu Bona und der Pflicht, notfalls eine andere Frau zu heiraten, damit die Linie derer von Steinsfeld nicht abriss, sehnte auch er die Ankunft in Kibitzstein herbei, mochte diese auch harte Kämpfe mit sich bringen.
11.
Z wei Tagesreisen hinter Nürnberg erhielten sie die ersten Nachrichten über die Fehde, in die sie ritten. Dem Anschein nach hielt die Burg sich noch. Als Trudi das vernahm, sah sie so aus, als wäre ihr ein Alpengipfel vom Herzen gefallen. An diesem Tag nahm sie zum ersten Mal Rücksicht auf ihre Begleiter, denn sie bestand nicht darauf, bis in die Dämmerung hineinzureiten, sondern ließ zu, dass der Trupp eine knappe Stunde vorher in einem Marktort anhielt, dessen Herberge genug Platz für alle bot.
Der Wirt begrüßte die Gäste mit einer Miene, als hoffe er, die Söldner würden weiterreiten und nicht seine Herberge
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