Die Tochter der Wanderhure
nicht, wie, aber er hat es mit einem einzigen Brief geschafft, den Bischof zum Aufgeben zu bewegen.«
Sie war überglücklich, diese Nachricht überbringen zu können, doch ihre Mutter achtete gar nicht auf ihre Worte, sondern strich ihr mit den Händen über das Gesicht und küsste sie, als könne sie es nicht glauben, die lange vermisste Tochter wieder in den Armen zu halten. Auch Falko gab sich ganz seiner Freude hin und ließ seine Tränen ungehemmt laufen.
Michi aber kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Was hast du gesagt? Der Bischof will mit seinen Truppen abziehen?«
Maries Blick verriet ihm, dass sie sich in ihrer Wiedersehensfreude gestört fühlte, doch für Michi war es weitaus wichtiger, zu wissen, ob man die Fehde wirklich beenden konnte.
Trudi fing ihre durcheinanderwirbelnden Gedanken ein und nickte. »Ja, das will er! König Friedrich hat die Grafen Magnus und Otto von Henneberg mit der Reichsacht belegt, und der Bischof dürfte wohl Angst haben, dass ihm das Gleiche blüht. Daher will er mit Mama reden. Also kommt jetzt! Dann wird doch noch alles gut.«
»Wir sollten nicht alle die Burg verlassen«, wandte Michi ein.
Aber Marie, Trudi und Falko hatten sich bereits auf den Weg gemacht.
Hilbrecht wollte ihnen folgen, doch Michi hielt ihn zurück. »Du bleibst! Wenn der Bischof Verrat üben sollte, weißt du, was du zu tun hast. Verteidige die Burg bis zum Äußersten und sprenge zuletzt die Pulvervorräte in die Luft. Wenn sie falschspielen, müssen sie dafür bezahlen!«
Hilbrecht blickte unglücklich den anderen hinterher, kehrte mit einem Seufzer in die Burg zurück und ließ die Tore schließen. Michi rannte Marie und ihren Kindern nach, bis er sie eingeholt hatte. Als er neben ihnen ging, ruhte seine Hand auf dem Schwertknauf. Er würde auf der Hut sein, denn es kam durchaus häufig vor, dass es sich bei einem Verhandlungsangebot um eine List handelte, hochrangige Personen des Gegners in die Hände zu bekommen.
Unterdessen hatte Herr Gottfried sich wieder auf seine geistliche Würde besonnen und empfing Marie und die Ihren in seinem Zelt auf einem Purpurkissen sitzend und mit einem goldenen Kreuz in der Hand.
Auch wenn er ihr Feind war, durfte Marie ihm nicht die Achtung als Bischof und damit Wächter über die Seelen in diesem Landstrich verweigern. Sie knickste und bemühte sich dann, möglichst empört auszusehen.
Herr Gottfried kam ohne Umschweife zur Sache. »Eure Tochter sagt, Johann von Brunn habe ein Schreiben gesiegelt, in dem er im Namen des Hochstifts Würzburg auf alle Anrechte an Kibitzstein und den dazugehörigen Dörfern Habichten, Dohlenheim und Spatzenhausen verzichtet habe.«
Marie straffte den Rücken. »Das stimmt, hochwürdigste Exzellenz.«
»Uns war davon nichts bekannt. Lasst Uns dieses Schreiben sehen, damit Unser Schreiber es kopieren und Wir es neu siegeln können!«
Marie wusste nicht, ob sie darauf eingehen sollte. Wenn der Bischof ihr die Urkunde wegnahm und sie verbrennen ließ, gab sie ihm freie Hand, ihren Besitz zu beschlagnahmen. Zwar besaß sie auf Kessnach Kopien, mit denen sie das Reichsgericht anrufen konnte, aber bis das eine Entscheidung traf, würden viele Jahre vergehen. Verunsichert sah sie ihren Sohn an. Falko hatte bei Heinrich von Hettenheim und seinen Besuchen in der Heidelberger Residenz des Pfalzgrafen gelernt, dass kaum etwas wich-tiger war, als zu verhindern, dass ein so hoher Herr sein Gesicht verlor. Er verbeugte sich, um die Aufmerksamkeit des Fürstbischofs auf sich zu lenken.
»Wenn Ihr erlaubt, Euer Exzellenz, hole ich die Urkunde!«
»Tut das!« Der Bischof nickte dem Jüngling kurz zu und ließ sich dann von einem Diener einen Becher Wein reichen. Von den Leuten, die sich in und vor seinem Zelt aufhielten, bekam niemand etwas, auch Pratzendorfer nicht, der sich bis jetzt zu den vertrautesten Freunden des Bischofs hatte zählen können.
14.
N icht lange danach kehrte Falko mit einer eisenbeschlagenen Kiste unter dem Arm zurück. Marie erschrak, denn in dieser Schatulle lagen nicht nur ihre wertvollsten Besitzurkunden, sondern auch die Pfandverschreibungen, die etliche der hier versammelten Herrschaften ausgestellt hatten, und von jenen, die ihre direkten Nachbarn betrafen, existierten keine gesiegelten Abschriften.
Falko stellte die Kiste kurzerhand auf den Fußschemel, den ein Diener für den Bischof gebracht hatte, schloss sie auf und wühlte so lange darin, bis er das entsprechende Dokument gefunden hatte. Gottfried
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