Die Tochter der Wanderhure
können, einem Dienstmann des damaligen Bischofs Johann von Brunn die Fehde anzutragen und diese sogar zu gewinnen. Unter den strengen Augen des neuen Bischofs war so etwas jedoch nicht mehr möglich.
Es wurmte Ingobert von Dieboldsheim, dass sein Gast im Gegensatz zu ihm nicht Gefahr lief, sein Haupt vor dem Würzburger beugen zu müssen. Michel Adler auf Kibitzstein war ein reichsfreier Ritter, der sich jederzeit der Hilfe des Königs versichern konnte. Dabei war er nur ein elender Emporkömmling ausdem Bodensatz des Volkes, den der Wind des Schicksals auf seine jetzige Stelle geweht hatte.
Michel sah, wie es in dem Gesicht seines Gegenübers arbeitete, und machte sich seine eigenen Gedanken. Von seinem Standpunkt aus war es mehr als bedauerlich, dass der alte Ingomar von Dieboldsheim vor zwei Jahren gestorben war und dieser Sohn das Erbe angetreten hatte. Ingomars jüngerer Sohn Ingold besaß weitaus mehr Mut und Tatkraft als sein älterer Bruder und stand auch zu seinem Wort.
»Ihr müsst wissen, was Ihr tut, Dieboldsheim. Doch wenn Herrn Gottfrieds Schatten auf uns alle fällt, werdet Ihr Euch an dieses Gespräch erinnern.« Michel gab die Hoffnung auf, sein Nachbar könnte sich doch noch ihm und den anderen von Würzburg bedrohten Burgherren anschließen. Am liebsten hätte er dem Dieboldsheimer kräftig die Meinung gesagt, doch damit hätte er den Mann wohl direkt in die Arme des Fürstbischofs getrieben.
Da sein Gastgeber nicht antwortete, stand Michel auf und trank aus. »Auf jeden Fall danke ich Euch für den Wein. Ihr solltet Euch meine Worte durch den Kopf gehen lassen.«
»Ihr könnt gerne über Nacht bleiben«, bot Dieboldsheim an.
Es war nur eine Floskel, denn sein Tonfall verriet den Wunsch, sein Nachbar möge bald aufbrechen. Wenn Michel Adler wirklich auf Dieboldsheim übernachtete, würde es nach außen hin so aussehen, als stände er mit ihm im Bunde, und das wollte Ritter Ingobert um jeden Preis vermeiden.
Michel begriff, was in seinem Gastgeber vorging, und überlegte schon, ob er nicht bleiben sollte, um den Dieboldsheimer in den Augen des Würzburgers zu kompromittieren. Aber er winkte innerlich ab, denn das Ergebnis war den Aufwand nicht wert.
»Habt Dank für die Einladung. Zu einer anderen Zeit hätte ich sie gerne angenommen, doch ich erwarte Besuch von Freunden, die ich nicht verpassen will.« Michel streckte seinem Nachbarn die Hand hin.
Ritter Ingobert ergriff sie aufatmend. »Ich wünsche Euch einen guten Heimritt, Ritter Michel.«
»Ich muss jetzt nur noch meine Tochter holen. Wisst Ihr, wo sie sich befindet?«
»Die sitzt gewiss mit meinem Weib in der Kemenate. Geht ruhig vor und lasst die Pferde satteln. Ich richte Jungfer Hiltrud aus, dass Ihr aufbrechen wollt.« Der Dieboldsheimer lächelte gepresst und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzusehen.
Michel blickte ihm nach und wandte sich dann ebenfalls zum Gehen. Auf dem Weg zur Tür streifte sein Blick die Einrichtung des Saales mit der langen Tafel aus Eichenholz, die nicht festgefügt war, sondern jederzeit abgetragen werden konnte, und den langen Reihen der Stühle, von denen zumeist nur wenige benutzt wurden, weil dem Burgherrn das Geld fehlte, um große Feste zu feiern.
Die Wände des Saales waren noch zu Zeiten des alten Ingomar mit Kalk beworfen worden. Nun hatte der Rauch sie fast schwarz gefärbt, und nur ein paar hellere Stellen verrieten, dass dort einmal Schilde, Waffen oder Banner gehangen hatten. Besonders heimelig fand Michel die Burg nicht. Aber das mochte an ihrem jetzigen Besitzer liegen, denn zu Ritter Ingomars Zeiten hatte er sich hier wohl gefühlt.
»Schade, alter Freund, dass du von uns gehen musstest«, sagte er zu der Stelle, an dem früher ein zerhauener Turnierschild aus Ingomars jüngeren Jahren als Trophäe gehangen hatte. »Mit dir wäre ich lieber durch den Sturm der kommenden Jahre gegangen als mit deinem Sohn.«
Michel versuchte, das Gefühl der Bedrückung abzuschütteln, und trat auf den Flur hinaus. Kurz darauf erreichte er die Ställe und wies die Knechte an, seinen Hengst und Trudis Stute zu satteln. Er lehnte sich gegen einen Türpfosten und sah den Männern zu, die seine Befehle so rasch ausführten, als stände der Stallmeister mit erhobener Peitsche hinter ihnen. Ingobert von Dieboldsheimmochte in großen Dingen ein Zauderer sein, doch auf seinem eigenen Grund und Boden herrschte er wie ein Tyrann.
17.
T rudi bedauerte schon längst, ihren Vater gedrängt zu haben,
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