Die Tochter der Wanderhure
Verführerin Eva erschienen, wirkte Trudi mit ihrem straffen Rücken und dem stolz erhobenen Kopf eher wie die Verkörperung der griechischen Diana. Ihr Haar war einen Hauch dunkler als das der Mutter, ihr Blick musterte ihn offen, und als sie vor ihm knickste, tat sie es mit einer Anmut, die ihn entzückte. Dazu trug sie ein Kleid, das einer Göttin angemessen gewesen wäre. Der blaue Stoff war mit silbernen Sternen besetzt und von einem sehr eigenartigen Schnitt. Es verlieh dem Mädchen eine Hoheit, die selbst den Töchtern aus hohem Haus nur selten zuteilwurde. Albrecht Achilles dachte seufzend daran, dass Männer seines Standes zwar ebenbürtige Frauen heiraten, ihr Liebesglück aber zumeist bei niederrangigen Frauen suchen mussten.
Zunächst wusste Trudi nicht, was die Aufmerksamkeit, die der Markgraf ihr erwies, bedeuten sollte, doch als sein Verhalten und seine Rede, vom Wein befeuert, immer zügelloser wurden, begriff sie, dass er vorhatte, sie in der Nacht mit in die Kammer zu nehmen, die einige andere Herren zu ihrem Leidwesen hatten räumen müssen. Bona von Fuchsheim wäre wohl begeistert auf die Avancen des Markgrafen eingegangen, doch ihrem Sinn für Schicklichkeit widerstrebte es, die Hure eines Mannes zu spielen, nur weil dieser sich beinahe gottähnlich aufführte. Außerdem musste sie Georg von Gressingen die Treue halten, auch wenn dieser zu ihrem Leidwesen immer noch nicht eingetroffen war.
Zunächst versteifte Trudi sich und gab nur recht einsilbige Antworten. Aber bald sah sie ein, dass ihre Widerspenstigkeit Albrecht Achilles nur noch mehr reizte, und überlegte verzweifelt, wie sie sich aus dieser Klemme herauswinden konnte. Ihr Blick fiel auf den Wein, dem der hohe Herr mit großem Appetit zusprach, und sie sorgte dafür, dass er noch schneller trank. Dabeimusste sie ihm immer wieder Bescheid geben und spürte bald, wie ihr das Getränk zu Kopf stieg. Sie hörte sich über einen Witz des Hohenzollern lachen, dessen Pointe ebenso schlüpfrig wie an den Haaren herbeigezogen war, und geriet plötzlich in Panik.
Wenn sie so weitermachte, würde sie genauso hilflos werden wie damals im Wald, und dann konnte der Markgraf mit ihr machen, wonach ihm der Sinn stand. Doch es gab kein Zurück mehr. Sie füllte ihren Becher zur Hälfte, den weitaus größeren Pokal des hohen Gastes aber bis zum Rand, und trank ihm zu.
»Auf den Ruhm des Hauses Hohenzollern!«
»Auf eine ebenso witzige wie beherzte junge Dame!«
»Auf ex!« Trudi setzte ihren Becher an und tat beim Trinken so, als sei auch er voll. Albrecht Achilles wollte sich nicht von einem Mädchen beschämen lassen und leerte sein Gefäß bis auf den Grund. Danach stieß er auf, grinste und goss sich den Wein nun selbst ein.
Er verschüttete einen Teil, lachte darüber und klopfte dem Fuchsheimer freundschaftlich auf die Schulter. »Dafür bekommt Ihr ein Fass vom besten Wein aus meinem Keller!«
Ludolf von Fuchsheim nickte unglücklich. Selbst wenn der hohe Gast sein im Rausch gegebenes Versprechen nicht vergaß, stellte dieses eine Fass nur einen Tropfen auf einem heißen Stein dar.
Während ihr Gastgeber alle Anwesenden zu den Moskowitern oder noch weiter weg wünschte, starrte Trudi auf ihren Becher, der diesmal so voll war, dass der Wein sich über den Rand zu wölben schien, und hörte Herrn Albrechts Trinkspruch. »Auf dich und deine Familie, meine Liebe. Kibitzstein möge tausend Jahre stehen!«
»Auf Kibitzstein!« Trudi ergriff den Becher und würgte den Inhalt mit Todesverachtung hinunter.
So ging es geraume Zeit weiter. Weniger trinkfeste Gäste als der Ansbacher begannen dem Wein Tribut zu zollen und rutschten von ihren Bänken. Schnell wurden die Betrunkenen von ihrenBediensteten oder Fuchsheimer Knechten unter den Tischen hervorgezogen und in einen Raum getragen, dessen Boden handbreit mit Stroh bedeckt war.
Während die Fackeln an den Wänden blakten und den schlichten Rittersaal in ein flackerndes, rotes Licht hüllten, leerten sich die Reihen der Zecher. Schließlich erhob sich auch Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach und zog Trudi mit sich. »Ich glaube, wir sollten jetzt zu Bett gehen!«
Marie wollte nach ihrer Tochter greifen, um sie zurückzuhalten, doch Michel legte ihr die Hand auf den Arm und drückte ihn nach unten. »Es ist besser so«, flüsterte er ihr zu und fügte nach einer kurzen Gedankenpause hinzu: »Wir dürfen den hohen Herrn auf keinen Fall mit einer Weigerung erzürnen.«
Marie blickte ihn
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